Lauenburg, der letzte Halt vor der Grenze
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 25.08.2018 08:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... rg722.html
BILD & TEXT-KOPIE:
von Anne Passow
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
Andreas Lojek steht an der B5 bei Lauenburg. © Stadtarchiv Lauenburg
Andreas Lojek steht dort, wo früher die Grenze zwischen BRD und DDR verlief - an der B5 zwischen Lauenburg und Boizenburg.
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Ein Auto fährt über die B5 von Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) Richtung Boizenburg. Von der anderen Seite donnert ein Lastwagen vorbei. Es ist der ganz normale, alltägliche Verkehr. Und Andreas Lojek kann sich immer noch darüber freuen, dass es den gibt. Der gebürtige Lauenburger erinnert sich noch gut an andere Zeiten. "Das Gebäude da hinten, das gehörte zur Grenzkontrollstelle", sagt der 60-Jährige, kneift die Augen zusammen, weil die Sonne blendet, und zeigt auf die andere Straßenseite. Zwischen Bäumen und Gestrüp ist neben der Bundesstraße ein unscheinbarer, grauer Bau auszumachen. "Da war die Lkw-Abfertigung. Dahinter waren Diensthunde untergebracht", erzählt er.
In den 1950er Jahren wollten Radfahrer, VW-Käfer und Minibusse über den Grenzübergang Lauenburg/Horster Damm, wie man auf dem Foto des Stadtarchiv Lauenburg erkennen kann. Heute kommt es auch mal vor, dass die B5 Richtung Boizenburg wie leergefegt ist. (Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das Lauenburg von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)
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Sowjets schießen Briten ab
Die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik - sie verlief genau hier über die heutige B5. Die Straße, die schon immer von Lauenburg nach Boizenburg führte - und nach dem Zweiten Weltkrieg plötzlich zerteilt wurde. Das führte damals zu Spannungen zwischen den Siegermächten. Im März 1953 schossen sowjetische Düsenjäger bei Lauenburg einen britischen Bomber ab - über westdeutschem Gebiet, im Raum Barförde-Bleckede. Ob der Kalte Krieg wirklich kalt bleiben würde, war für einen Moment nicht klar. Mit dem Mauerbau 1961 rollten englische Panzer nach Lauenburg.
1959 wurde die Bronzefigur des Rufers vor der neuen Elbbrücke aufgestellt. Er sollte an die Tradition der Schiffer Lauenburgs erinnern. Heute befindet sich am Ruferplatz ein Restaurant.
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Mit der Grenze aufgewachsen
Andreas Lojek war damals noch ein Kind. Er nahm die latente Bedrohung nicht wahr. Mit einem Freund spielte er häufig nahe der Grenzkontrollstelle. Dass Lauenburg die letzte westdeutsche Stadt vor der DDR war, dass Menschen von hier in die DDR fuhren und andere aus dieser in die BRD kamen - für ihn war das damals normal. "Erst nachher, als man größer und älter wurde, hat man darüber nachgedacht, was das ist, die Grenze", berichtet er.
Der Verkehr kreuzt sich heute genau wie 1953 an der Kreuzung Büchener Weg/Berliner Straße. Nur drumherum sind viel mehr Gebäude entstanden.
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Die Grenze konnte auch Schikane sein. 1953 erlebte das auch der damalige Regierende Bürgermeister Westberlins, Ernst Reuter. Er wollte über den Kontrollposten Lauenburg Richtung Berlin fahren. Doch die DDR-Grenzer verweigerten ihm die Durchreise - weil in seinem Interzonenpass Hausnummer und Straßenangabe fehlten.
1932 wie heute hat man den besten Blick auf die Lauenburger Altstadt von Hohnstorf aus. Auf dem historischen Foto erkennt man aber noch, was Hohnstorf und Lauenburg einst ausmachte: die Schiffer und ihre Kähne.
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Rückstau bis nach Schnakenbek
Als Andreas Lojek später bei der Landespolizei arbeitete, musste er sich öfter um den Rückstau vor der Grenze kümmern. "Es gab manchmal Schwierigkeiten an der Kontrollstelle. Die Ostseite hat gebummelt - oder die Grenze mal für ein paar Stunden zugemacht. Dann standen die Autos durch das Lauenburger Industriegebiet in doppelten Schleifen auf der B5 bis nach Schnakenbek und noch weiter. Dann ging in Lauenburg nichts mehr", erzählt er. Und an noch etwas erinnert er sich gut: Irgendwann Anfang der 1980er Jahre hatte er Nachtdienst auf der Polizeistation. "Da hat’s plötzlich geklopft. Und da stand dann ein ehemaliger Grenzsoldat aus der DDR - unbewaffnet, aber noch in Uniform. Er bat um Aufnahme, weil ihm die Flucht geglückt war."
Um 1900 sah der Turm der Maria Magdalenen Kirche noch ganz anders aus als heute. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Turm wieder zerstört. 1992 bekam er einen kupfernen Turmhelm.[/b]
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Gastronomie und Kioske profitieren von Grenze
Die Grenze mit ihren Geschichten hat Lauenburg immer geprägt. Und sie hat der Stadt Einnahmen gebracht. "Die Stadt hat immer mit - und auch durch die Grenze gelebt", betont Lojek. Lauenburg bekam Zonenrandförderung. Und Privatmenschen oder Lkw-Fahrer, die Richtung Berlin unterwegs waren, stiegen noch mal aus, aßen etwas, kauften ein, übernachteten vielleicht sogar. Reisende aus dem Osten hielten ebenfalls an und genossen die erste westdeutsche Stadt nach der Grenze. Kioske, Lebensmittelgeschäfte, Kleidungsläden, Restaurants und Hotels profitierten davon.
1958 gab es auf der Berliner Straße noch eine Schlachterei und ein Schuhgeschäft. Heute ist hier ein Postladen.
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Umarmt, geweint, gefreut, gelacht
Dass die Grenze nicht wirklich mitten in ein einst vereintes Land gehörte, spürten trotzdem alle. 1989 überschlugen sich die Ereignisse. Auch an der Kontrollstation Lauenburg öffneten die überrumpelten DDR-Grenzer schließlich den Übergang. "Mehr als die Hälfte aller Lauenburger sind erst mal hierher gefahren und haben geguckt. Und an der Ostseite war es ganz genauso", berichtet Lojek. Viele Menschen aus Ost und West kannten sich noch aus früheren Zeiten.
1963 passierten - wie auf diesem Bild - viele Lkw die Grenzkontrollstelle bei Lauenburg. Heute bekommen Lkw-Fahrer von der großen Geschichte des Ortes nichts mehr zu spüren.
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Andreas Lojek erinnert sich lebhaft:
"Hier sind Szenen passiert, die können Sie sich gar nicht vorstellen. Man ist sich in die Arme gefallen. Man hat geweint. Man hat sich gefreut. Man hat gelacht." Lojek entsinnt sich, dass Menschen anfingen, Musik zu machen, dass gefeiert wurde. "Es war ein Fest. Und das war nicht nur ein Tag, das ging wochenlang so." Auch Lojek freute sich mit, ging immer wieder zu der Kontrollstelle, um all das mitzuerleben, traute sich nach ein paar Tagen, die Nachbarstadt Boizenburg zu besuchen.
Die Elbstraße ist heute fast im gleichen historischen Zustand wie auf dem undatierten Foto des Stadtarchivs Lauenburg.
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Busladungen voller Touristen
Nach der überschwänglichen Freude kam allerdings das Erwachen für Lauenburg. Die Zonenrandförderung fiel weg. Je mehr neue Geschäfte im Osten entstanden, desto weniger Menschen kamen nach Lauenburg zum Einkaufen. "Vielleicht hat Lauenburg auch politisch das ein oder andere verschlafen", resümiert Lojek, der lange Bürgervorsteher Lauenburgs war. Erst nach und nach tat sich was. Die Unterstadt, die im Laufe der Jahre immer mehr verödet und verfallen war, wurde aufwendig saniert.
Dort wo um 1955 das Parkhotel stand, geht es heute in die Fußgängerzone der Lauenburger Oberstadt.
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Heute kommen Busladungen voller Touristen, um sich die malerischen Fachwerkhäuser vor der Elbkulisse anzusehen, um die Kunsthandwerksläden in der Elbstraße zu bestaunen, um das Schloss zu bewundern und um den Rufer zu sehen, eine Bronzefigur, die seit 1959 an die Schiffertradition der Stadt erinnert. Die Oberstadt hat, wie viele Kleinstädte, mit Leerständen zu kämpfen. Doch auch hier ist einiges im Gange. Eine Marktgalerie ist geplant. Edeka will neu bauen und ein großes Hotel will sich in der Stadt ansiedeln. Seit man an der Gemeinschaftsschule auch Abitur machen kann, wird Lauenburg für Familien aus Hamburg attraktiver.
Kleine Läden sind 1960 wie heute auf der Berliner Straße zu finden.
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Lauenburg - das wird, Andreas Lojek ist davon überzeugt. "In drei bis fünf Jahren wird das hier eine liebenswerte Innenstadt. Lauenburg wird sich dann hier im Südkreis des Herzogtums Lauenburg behaupten."
Schleswig-Holstein früher und heute
- frische Luft
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute
Wie Fotograf Castelli sein Lübeck bekannt machte
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 07.04.2018 08:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... k1484.html
BILD und TEXT-KOPIE !
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Katrin Bohlmann
Der Lübecker Kunst- und Architekturfotograf Wilhelm Castelli. © Fotoarchiv Lübeck
Der Lübecker Fotograf Wilhelm Castelli im Jahr 1950.
Bild befindet sich im o.g. Link !
Die sieben Türme, die Altstadt und natürlich das Holstentor:
Das ist Lübeck.
Zumindest haben viele die Hansestadt so vor Augen. Daran hat der 1901 geborene Fotograf Wilhelm Castelli großen Anteil. Er hat das Bild von seiner Heimatstadt mit seinen Fotos entscheidend geprägt.
Mehr als 40 Jahre lang fotografierte er Lübecker Gebäude, Straßenzüge, Kirchen von innen und außen.
Von den späten 1920er-Jahren bis 1970.
Auf Fotos, Ansichtskarten und in Sammelmappen hat Castelli Lübecker Stadtmotive verewigt.
Auch mehrere Bücher mit seinen Fotos haben Lübecker Museumsdirektoren herausgegeben.
Heute sind seine Bilder die wesentliche Grundlage für das Fotoarchiv der Hansestadt.
Die Obertrave in Lübeck heute und im Jahr 1938:
Die Häuser, die Bäume und auch die Idylle sind geblieben.
Mit dem Schieberegler auf diesem Bild und den weiteren großformatigen Fotos können Sie Impressionen von heute mit Castellis Bildern von damals vergleichen.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
Fast wäre Castelli in Vergessenheit geraten
Seine Fotos waren damals außergewöhnlich und sind bis heute besonders:
Harte Schwarz-Weiß-Kontraste, ungewöhnliche Blickwinkel und herausgehobene Details sind typisch für Castelli-Bilder. "Sein Vorbild war der Fotograf Albert Renger-Patzsch, ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit in den 20er-Jahren", erklärt Kunsthistoriker Thorsten Albrecht.
"Castelli hat in Lübeck sehr viel fotografiert - auch in Museen.
Er war seit 1930 der Museumsfotograf.
So sind sehr viele Postkarten entstanden, die man als Tourist kaufen konnte, wenn man Lübeck besuchte", erklärt Albrecht weiter.
Ohne den Kunsthistoriker wäre Castellis Werk fast in Vergessenheit geraten.
Der 54-Jährige hat dem Lübecker Fotografen im Mai 2002 eine Ausstellung und einen Katalog gewidmet.
Am Holstentor:
Hier hat sich viel verändert.
Um 1865 lag der Bahnhof noch viel weiter Richtung Altstadt, vor der Puppenbrücke.
Wo damals die Lok herausfuhr, steht jetzt das Hotel "Park Inn", hier von Bäumen verdeckt.
Fotograf Castelli hatte die Aufnahme aus dem 19. Jahrhundert im Auftrag der Hansestadt Lübeck reproduziert.
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Castellis Vater hatte andere Pläne für den Sohn
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
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Historische Aufnahme der Drogerie der Familie Castelli:
Später wurde aus dem Familienbetrieb ein Fotogeschäft.
Dabei hatte Castelli Senior eigentlich andere Pläne für seinen fotobegeisterten Sohn.
Er sollte die Drogerie in der Breiten Straße 95 übernehmen.
Nach einer Lehre als Fotograf in Hamburg stieg Wilhelm Castelli Junior 1927 zwar in das Geschäft ein - zusammen mit seinem jüngeren Bruder - aber er wandelte die Drogerie nach und nach in ein Fotogeschäft um.
"Das hing auch damit zusammen, dass der Amateurbereich damals sehr stark im Kommen war.
Es gab Entwicklungen, neue Kameras wie Kleinbildkameras.
Und damit war es auch für die breite Masse möglich, selbst Fotos zu machen.
Da waren dann Drogerien diejenigen, die das Material zur Verfügung stellten und Abzüge auch herstellten.
Genau in diese Sparte ist Castelli dann reingegangen", berichtet Kunsthistoriker Albrecht.
Und das Geschäft brummte.
Castelli war ein bekannter Name in Lübeck.
Die Familie war gesellschaftlich angesehen.
Wilhelm Castelli - inzwischen verheiratet - engagierte sich in der Stadt, unter anderem in der Overbeck-Gesellschaft. Ein Verein von Kunstfreunden in Lübeck, den es noch heute gibt.
Der Klingenberg heute und um 1880.
Den Brunnen gibt es nicht mehr.
Interessant:
Rechts auf dem alten Foto das Hotel "Stadt Hamburg" mit den beiden Löwen am Eingang - heute stehen genau diese Löwen am Holstentor.
Im Hintergrund: der Dom zu Lübeck.
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Britische Bomber zerstören Geschäft
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs mit dem Logo von Photo-Castelli. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
Mit einem eigenen Logo wirbt Castelli in Werbeanzeigen für sein Fotogeschäft.
Bild befindet sich im o.g. Link !
Neben Haushalts- und Toilettenartikeln wurde die Fotoabteilung zum wichtigsten Standbein der Castellis.
Fotoapparate, Objektive, Stative und Filme verkaufte er.
In der hauseigenen Dunkelkammer entwickelte er die Bilder seiner Kunden.
Und der pfiffige Kaufmann Castelli Junior wusste schon damals, was modernes Marketing ist:
Kurze, knackige Sprüche sollten die Kundschaft anlocken.
Wie:
"Deine Fotosachen - lass' bei Castelli machen"
1929 entwickelte Castelli auch ein Logo:
Einen Kreis, in dem ein Fotograf leicht gebückt fotografiert.
Dieses Logo ließ er auf Werbeprospekte, Anzeigen und Briefpapier drucken.
Doch dann zerstören britische Bomber im Zweiten Weltkrieg Castellis Geschäft - in der Palmarum-Nacht 1942.
Auch Castellis wertvolles Negativarchiv wird vernichtet.
Blick auf die Aegidienstraße und die Aegidienkirche:
Noch ein Bild von Castelli aus dem Jahr 1938.
Das Haus ist noch heute ein beliebtes Motiv bei Touristen.
Bäume standen schon früher einmal dort, für einige Zeit gab es keine.
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Fotografieren wird zum Familienausflug
Aber Castelli gab nicht auf.
Nach dem Krieg mietete er ein paar Häuser weiter - gegenüber des Rathauses - in der Breiten Straße 81 neue Geschäftsräume.
Vier Filialen entstanden im Laufe der Jahre.
Und nebenbei zog Castelli los und machte neue Aufnahmen von Lübeck.
Seine Frau Ilse und die beiden Kinder Bettina und Wilhelm Junior halfen ihm dabei.
"Er war ein Familienmensch.
Seine Familie musste immer mit.
Seine Frau hat ihn stark unterstützt und seine Kinder mussten teilweise die Sachen mitschleppen.
Oft war das Fotografieren ein Familienausflug", erzählt Kunsthistoriker Albrecht.
Breite Straße 95 - heute und um 1960.
Hier war die Castelli-Drogerie von 1900 bis 1942 zu Hause.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Geschäft beim Bombenangriff der Briten in der Palmarum-Nacht zerstört.
Castelli mietete nach dem Krieg neue Geschäftsräume in der Breiten Straße 81 gegenüber vom Lübecker Rathaus.
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Castellis Erbe lebt weiter
Was damals Wilhelm Castelli war, ist heute der Lübecker Fotograf Thomas Radbruch.
Er fühlt sich als Nachfolger des großen Meisters.
Auch seine Fotos stehen für Lübeck - auf Postkarten, Kalendern und in Foto-Büchern.
Als junger Mann hat der heute 72-jährige Castelli getroffen, zusammen mit seinem Opa Ferdinand.
"Einmal haben wir uns in einem alten Fotoladen in der Burgstraße gesehen.
Mein Opa und Castelli haben gefachsimpelt und ich habe zugehört", erinnert sich Radbruch.
Bei einer weiteren Begegnung in einem Café fragte Radbruch Castelli Löcher in den Bauch.
Trotzdem die Technik heute komplett anders ist:
Castelli blieb ein Vorbild für Radbruch.
"Er war schon ein überragender Fotograf."
Castellis Bilder sind die Essenz des Lübecker Fotoarchivs
Heute kennt kaum noch ein Lübecker Castelli.
Das Geschäft in der Breiten Straße wurde 1970 geschlossen.
Seine Kinder wollten es nicht übernehmen.
Der Fotograf konnte seine Leidenschaft für die Fotografie nicht weitervermitteln.
Castelli löste sein Fotolabor auf, und beendete damit seine professionelle fotografische Tätigkeit.
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
Castelli und seine Frau Ilse:
Die Familie begleitete den Lübecker bei seinen Fotosafaris durch die Hansestadt.
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Privat fotografierte er weiter und spezialisierte sich auf Bäume.
Castelli verkaufte sein seit 1947 aufgebautes Fotoarchiv an seine Heimatstadt.
Wehmütig sei er deswegen nicht gewesen, vermutet Thorsten Albrecht.
"Er war da ganz pragmatisch.
Die aktive Foto-Phase war jetzt abgeschlossen - seine Bilder aber leben weiter."
Die Rechte dazu liegen damit bis heute bei der Hansestadt.
Die Castelli-Fotos bilden die Grundlage des historischen Bildarchivs der Stadt Lübeck.
Schaut man sich diesen Schatz an, taucht man ein in die Vergangenheit und blickt anschließend ganz anders auf das Lübeck von heute.
1984 starb Wilhelm Castelli mit 83 Jahren. Der Name Castelli bleibt dennoch in Lübeck.
Dank der vielen alten Bilder und Postkarten.
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 07.04.2018 08:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... k1484.html
BILD und TEXT-KOPIE !
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Katrin Bohlmann
Der Lübecker Kunst- und Architekturfotograf Wilhelm Castelli. © Fotoarchiv Lübeck
Der Lübecker Fotograf Wilhelm Castelli im Jahr 1950.
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Die sieben Türme, die Altstadt und natürlich das Holstentor:
Das ist Lübeck.
Zumindest haben viele die Hansestadt so vor Augen. Daran hat der 1901 geborene Fotograf Wilhelm Castelli großen Anteil. Er hat das Bild von seiner Heimatstadt mit seinen Fotos entscheidend geprägt.
Mehr als 40 Jahre lang fotografierte er Lübecker Gebäude, Straßenzüge, Kirchen von innen und außen.
Von den späten 1920er-Jahren bis 1970.
Auf Fotos, Ansichtskarten und in Sammelmappen hat Castelli Lübecker Stadtmotive verewigt.
Auch mehrere Bücher mit seinen Fotos haben Lübecker Museumsdirektoren herausgegeben.
Heute sind seine Bilder die wesentliche Grundlage für das Fotoarchiv der Hansestadt.
Die Obertrave in Lübeck heute und im Jahr 1938:
Die Häuser, die Bäume und auch die Idylle sind geblieben.
Mit dem Schieberegler auf diesem Bild und den weiteren großformatigen Fotos können Sie Impressionen von heute mit Castellis Bildern von damals vergleichen.
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Fast wäre Castelli in Vergessenheit geraten
Seine Fotos waren damals außergewöhnlich und sind bis heute besonders:
Harte Schwarz-Weiß-Kontraste, ungewöhnliche Blickwinkel und herausgehobene Details sind typisch für Castelli-Bilder. "Sein Vorbild war der Fotograf Albert Renger-Patzsch, ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit in den 20er-Jahren", erklärt Kunsthistoriker Thorsten Albrecht.
"Castelli hat in Lübeck sehr viel fotografiert - auch in Museen.
Er war seit 1930 der Museumsfotograf.
So sind sehr viele Postkarten entstanden, die man als Tourist kaufen konnte, wenn man Lübeck besuchte", erklärt Albrecht weiter.
Ohne den Kunsthistoriker wäre Castellis Werk fast in Vergessenheit geraten.
Der 54-Jährige hat dem Lübecker Fotografen im Mai 2002 eine Ausstellung und einen Katalog gewidmet.
Am Holstentor:
Hier hat sich viel verändert.
Um 1865 lag der Bahnhof noch viel weiter Richtung Altstadt, vor der Puppenbrücke.
Wo damals die Lok herausfuhr, steht jetzt das Hotel "Park Inn", hier von Bäumen verdeckt.
Fotograf Castelli hatte die Aufnahme aus dem 19. Jahrhundert im Auftrag der Hansestadt Lübeck reproduziert.
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Castellis Vater hatte andere Pläne für den Sohn
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
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Historische Aufnahme der Drogerie der Familie Castelli:
Später wurde aus dem Familienbetrieb ein Fotogeschäft.
Dabei hatte Castelli Senior eigentlich andere Pläne für seinen fotobegeisterten Sohn.
Er sollte die Drogerie in der Breiten Straße 95 übernehmen.
Nach einer Lehre als Fotograf in Hamburg stieg Wilhelm Castelli Junior 1927 zwar in das Geschäft ein - zusammen mit seinem jüngeren Bruder - aber er wandelte die Drogerie nach und nach in ein Fotogeschäft um.
"Das hing auch damit zusammen, dass der Amateurbereich damals sehr stark im Kommen war.
Es gab Entwicklungen, neue Kameras wie Kleinbildkameras.
Und damit war es auch für die breite Masse möglich, selbst Fotos zu machen.
Da waren dann Drogerien diejenigen, die das Material zur Verfügung stellten und Abzüge auch herstellten.
Genau in diese Sparte ist Castelli dann reingegangen", berichtet Kunsthistoriker Albrecht.
Und das Geschäft brummte.
Castelli war ein bekannter Name in Lübeck.
Die Familie war gesellschaftlich angesehen.
Wilhelm Castelli - inzwischen verheiratet - engagierte sich in der Stadt, unter anderem in der Overbeck-Gesellschaft. Ein Verein von Kunstfreunden in Lübeck, den es noch heute gibt.
Der Klingenberg heute und um 1880.
Den Brunnen gibt es nicht mehr.
Interessant:
Rechts auf dem alten Foto das Hotel "Stadt Hamburg" mit den beiden Löwen am Eingang - heute stehen genau diese Löwen am Holstentor.
Im Hintergrund: der Dom zu Lübeck.
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Britische Bomber zerstören Geschäft
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs mit dem Logo von Photo-Castelli. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
Mit einem eigenen Logo wirbt Castelli in Werbeanzeigen für sein Fotogeschäft.
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Neben Haushalts- und Toilettenartikeln wurde die Fotoabteilung zum wichtigsten Standbein der Castellis.
Fotoapparate, Objektive, Stative und Filme verkaufte er.
In der hauseigenen Dunkelkammer entwickelte er die Bilder seiner Kunden.
Und der pfiffige Kaufmann Castelli Junior wusste schon damals, was modernes Marketing ist:
Kurze, knackige Sprüche sollten die Kundschaft anlocken.
Wie:
"Deine Fotosachen - lass' bei Castelli machen"
1929 entwickelte Castelli auch ein Logo:
Einen Kreis, in dem ein Fotograf leicht gebückt fotografiert.
Dieses Logo ließ er auf Werbeprospekte, Anzeigen und Briefpapier drucken.
Doch dann zerstören britische Bomber im Zweiten Weltkrieg Castellis Geschäft - in der Palmarum-Nacht 1942.
Auch Castellis wertvolles Negativarchiv wird vernichtet.
Blick auf die Aegidienstraße und die Aegidienkirche:
Noch ein Bild von Castelli aus dem Jahr 1938.
Das Haus ist noch heute ein beliebtes Motiv bei Touristen.
Bäume standen schon früher einmal dort, für einige Zeit gab es keine.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
Fotografieren wird zum Familienausflug
Aber Castelli gab nicht auf.
Nach dem Krieg mietete er ein paar Häuser weiter - gegenüber des Rathauses - in der Breiten Straße 81 neue Geschäftsräume.
Vier Filialen entstanden im Laufe der Jahre.
Und nebenbei zog Castelli los und machte neue Aufnahmen von Lübeck.
Seine Frau Ilse und die beiden Kinder Bettina und Wilhelm Junior halfen ihm dabei.
"Er war ein Familienmensch.
Seine Familie musste immer mit.
Seine Frau hat ihn stark unterstützt und seine Kinder mussten teilweise die Sachen mitschleppen.
Oft war das Fotografieren ein Familienausflug", erzählt Kunsthistoriker Albrecht.
Breite Straße 95 - heute und um 1960.
Hier war die Castelli-Drogerie von 1900 bis 1942 zu Hause.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Geschäft beim Bombenangriff der Briten in der Palmarum-Nacht zerstört.
Castelli mietete nach dem Krieg neue Geschäftsräume in der Breiten Straße 81 gegenüber vom Lübecker Rathaus.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
Castellis Erbe lebt weiter
Was damals Wilhelm Castelli war, ist heute der Lübecker Fotograf Thomas Radbruch.
Er fühlt sich als Nachfolger des großen Meisters.
Auch seine Fotos stehen für Lübeck - auf Postkarten, Kalendern und in Foto-Büchern.
Als junger Mann hat der heute 72-jährige Castelli getroffen, zusammen mit seinem Opa Ferdinand.
"Einmal haben wir uns in einem alten Fotoladen in der Burgstraße gesehen.
Mein Opa und Castelli haben gefachsimpelt und ich habe zugehört", erinnert sich Radbruch.
Bei einer weiteren Begegnung in einem Café fragte Radbruch Castelli Löcher in den Bauch.
Trotzdem die Technik heute komplett anders ist:
Castelli blieb ein Vorbild für Radbruch.
"Er war schon ein überragender Fotograf."
Castellis Bilder sind die Essenz des Lübecker Fotoarchivs
Heute kennt kaum noch ein Lübecker Castelli.
Das Geschäft in der Breiten Straße wurde 1970 geschlossen.
Seine Kinder wollten es nicht übernehmen.
Der Fotograf konnte seine Leidenschaft für die Fotografie nicht weitervermitteln.
Castelli löste sein Fotolabor auf, und beendete damit seine professionelle fotografische Tätigkeit.
Eine Aufnahme einer Seite des Castelli-Katalogs. © NDR Foto: Katrin Bohlmann
Castelli und seine Frau Ilse:
Die Familie begleitete den Lübecker bei seinen Fotosafaris durch die Hansestadt.
Bild befindet sich im o.g. Link !
Privat fotografierte er weiter und spezialisierte sich auf Bäume.
Castelli verkaufte sein seit 1947 aufgebautes Fotoarchiv an seine Heimatstadt.
Wehmütig sei er deswegen nicht gewesen, vermutet Thorsten Albrecht.
"Er war da ganz pragmatisch.
Die aktive Foto-Phase war jetzt abgeschlossen - seine Bilder aber leben weiter."
Die Rechte dazu liegen damit bis heute bei der Hansestadt.
Die Castelli-Fotos bilden die Grundlage des historischen Bildarchivs der Stadt Lübeck.
Schaut man sich diesen Schatz an, taucht man ein in die Vergangenheit und blickt anschließend ganz anders auf das Lübeck von heute.
1984 starb Wilhelm Castelli mit 83 Jahren. Der Name Castelli bleibt dennoch in Lübeck.
Dank der vielen alten Bilder und Postkarten.
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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- Registriert: Di 3. Okt 2023, 09:07
Re: Schleswig-Holstein früher und heute
Malenter Seen: Von Großherzögen und "Samba-Zügen"
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 18.08.2018 06:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... te220.html
von Julian Marxen
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Julian Marxen
Es muss ein schnaubendes Rattern sein, das im Juni 1892 Fische, Vögel und Bewohner im beschaulichen Malente-Gremsmühlen aufhorchen lässt.
Ein Kahn, besetzt mit Mensch in feinstem Zwirn, tuckert über den idyllischen Dieksee.
Und jeder im Ort weiß:
Diese Bootstour ist eine hoheitliche Angelegenheit.
Der "Anzeiger für das Fürstenthum Lübeck" berichtet, dass kein Geringerer als "Seine Königliche Hoheit Friedrich Peter von Oldenburg nebst Gattin und seinen durchlauchtigsten Kindern" sich die Ehre gibt, bei der ersten "genußreichen Wasserfahrt" dabei zu sein.
TEXT-KOPIE !
Bei der Jungfernfahrt des ersten Boots 1892 im Dieksee ist auch der Großherzog von Oldenburg an Bord.
Offiziell heißt das Schiff "Elisabeth", im Volksmund wird es aber nur "Zitteraal" genannt.
Heute sind die modernen Schiffe der "5-Seen-Fahrt" deutlich komfortabler, eines hat sogar ein kleines Bordrestaurant.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
"Elisabeth" rüttelt die Hoheiten durch
Es ist die Jungfernfahrt der Passagierschiffs "Elisabeth", benannt nach der Großherzogin von Oldenburg.
Auch wenn dieser Name wohlig klingt, im Volksmund wird das Boot seiner Zeit nur "Zitteraal" genannt, aufgrund des stark vibrierenden 4-PS-Petroleummotors.
Ob diese Rütteltour den durchlauchten Gästen gefallen hat?
Im 19. Jahrhundert kommen viele gut betuchte Damen und Herren aus Berlin und Hamburg mit der Eisenbahn nach Malente-Gremsmühlen.
Die Bahnstation Gremsmühlen gleicht einem Laufsteg für die Schönen und Reichen.
Von diesem Flair ist heute nichts mehr zu spüren.
Das Bahnhofsgebäude selbst steht leer, wird gerade von einem Investor saniert.
Sein Plan: den Bahnhof mit Läden und Gastronomie wiederzubeleben.
Immer mehr Gäste kommen mit der Eisenbahn
Das weiß auch der Geschäftsführer der heutigen 5-Seen-Fahrt, Hinnerk Frahm, nicht. Aber die Tatsache, dass er schon in vierter Generation in dem traditionsreichen Unternehmen tätig ist, zeigt:
Die Gründungsväter - Kaufleute aus Malente, Plön, Eutin und Timmdorf - hatten damals den richtigen Riecher, als sie die zitternde "Elisabeth" zu Wasser ließen.
"Die Geschäftsleute wollten mit dem Motorbootverkehr den Tourismus weiter ankurbeln", berichtet Frahm.
Und es funktionierte.
Nach dem Ersten Weltkrieg werden in dieser stattlichen Villa psychisch Erkrankte behandelt.
Mit dem Bau eines neuen Krankenhauses in den 50er-Jahren an anderer Stelle gibt es für das "Haus Schönow" keine Verwendung mehr.
Ginge es nach Malentes Bürgermeisterin, Tanja Rönck (parteilos), könnte auf dem Parkgelände schon bald ein Baumhaushotel entstehen.
Die verwunschene Villa zeugt von Zeiten, in denen sich reiche Kaufleute in Malente niederließen und sich ihr Domizil nach Herzenslust einrichteten.
1907 baut ein Berliner Kaufmann, der in den Adelsstand erhoben wurde, sein Haus standesgemäß aus.
Heute wirkt das "Schloss Eggersdorf" wie ein Spukhaus.
Eingewachsen, unbewohnt, mit verwitterten Steinfiguren inmitten eines parkähnlichen Gartens.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
Um 1900: Werbung mit "Gebirgsluft"
Um die Jahrhundertwende reisen immer mehr Menschen an, um die reizvolle Wald- und Seenlandschaft rund um Malente zu genießen.
Sie kommen mit der Eisenbahn aus Hamburg und Berlin, einige von ihnen bauen hier sogar Villen, die Kaufleute verbuchen laut Malenter Chronik wachsende Umsätze.
Es entstehen neue Hotels.
In Zeitungen machen sie mit der Wortschöpfung "Holsteinische Schweiz" auf sich aufmerksam und preisen vollmundig die "reizende Lage und gesunde Gebirgsluft" an.
Auch wenn Malente in Wirklichkeit eher Hügel als Berge zu bieten hat, den Sommerfrischlern um 1900 gefällt es trotzdem.
Der Tourismus macht Malente groß.
Der Blick vom 1912 fertiggestellten Wasserturm zeigt:
Wo einst landwirtschaftliche Flächen und nur wenige Häuser das Landschaftsbild prägten, stehen heute viele Häuser und Bäume.
Durchfahrten müssen ausgebaggert werden
"Die Holsteinische Schweiz war ziemlich angesagt", weiß Frahm.
Und die Fahrt über den Dieksee, Langensee, Behlersee, Höftsee bis nach Plön sei eine besondere Attraktion gewesen. "Meine Vorgänger haben mit der Zeit immer größere Schiffe angeschafft, weil die alten zu klein wurden."
Allerdings gab es auch Probleme:
"Bei Timmdorf, wo sich die Schwentine unter einer Brücke durchschlängelt und zwei Seen miteinander verbindet, konnte das Schiff nicht unter der Brücke durchfahren.
Das Schiff war zu hoch, also mussten die Fahrgäste an Land gehen und auf ein anderes Boot umsteigen", erzählt Frahm. Und in den Plöner Edebergsee sei nur gefahren worden, wenn das Wasser hoch gestanden habe.
Früher wie heute brauchen die Kapitäne viel Fingerspitzengefühl, wenn sie die Haltestelle Timmdorf passieren.
An der engen Durchfahrt, die vom Diek- in den Langensee führt, hat sich von 1971 bis heute nicht viel geändert.
Tour durch alle fünf Seen wird möglich
Nach dem Ersten Weltkrieg werden die Durchfahrten dann aber vertieft und die Brücke erhöht.
Ein Schiff kann jetzt durchgängig in alle fünf Seen fahren.
Aus der "Motorbootgesellschaft Dieksee" wird die "5-Seen-Fahrt".
Wie Frahm berichtet, passten 1938 immerhin schon 200 Passagiere auf das größte Schiff der Flotte.
Doch der Zweite Weltkrieg schickt die Schiffe in Zwangspause.
Öffentliche Fahrten gibt es nicht. Malente-Gremsmühlen wird Lazarettstadt.
Die alte Gremsmühle war ursprünglich eine mit Wasser betriebene Getreidemühle.
Vom 13. bis ins 20. Jahrhundert wurde hier gemahlen.
1956 wurde der Betrieb eingestellt - zu unrentabel.
Als Wahrzeichen Malentes dreht sich ihr Rad aber noch heute.
Auf einer Fischtreppe neben der Mühle können mittlerweile Kanu- und Kajak-Fahrer von der Schwentine in den Dieksee übersetzen.
Kneippkur in Malente
Nach dem Krieg geht es in Malente nur schleppend voran.
Doch dann sieht der Ort seine Chance in einer neuen Gesundheitsmode und wird Kneipp-Heilbad.
Nach und nach entstehen Wassertretbecken, Trimm-Dich-Pfad, Kurpark, Haus des Gastes, neue Kliniken und Hotels. Malente erlebt eine neue Blütezeit, von der auch die Fünf-Seen-Fahrt profitiert.
Gleichzeitig verändert der Ort sein Gesicht. Eine Mischung aus Urlauberfamilien und Kurgästen bevölkert die Promenaden, vom exklusiven und mondänen Charme von einst ist immer weniger zu spüren.
Sie versprühen mondänen Charme: die Hotels "Zum Brahmberg" und "Bellevue".
Hier wird um 1900 noch edel gefeiert und genächtigt. Die Häuser werden 2007 und 1989 abgerissen. Viele Malenter trauern den beiden ansehnlichen Gebäuden heute noch nach.
Immenhof, Intermar und der DFB
Statt Villen werden nun funktionale Bauten errichtet.
Auf der Halbinsel am Dieksee, direkt neben dem Schiffsanleger, wird das altehrwürdige Städtische Kurhaus Anfang der 70er-Jahre abgerissen.
An seiner statt wird das für diesen Ort recht gigantisch wirkende Intermar-Hotel in die Höhe gezogen, mit zwölf Geschossen, einem Saal für 400 Menschen und zwei Tiefgaragen.
Auch die Fünf-Seen-Fahrt investiert kräftig. Von 1971 bis 1986 laufen die heute aktuellen Schiffe "Malente", "Grünau" und "Dieksee" vom Stapel.
Es ist auch jene Zeit, in der die Deutsche Fußballnationalmannschaft den Geist von Malente beschwört und den Ort endgültig bundesweit bekannt macht, das DFB-Team bereitet sich hier unter anderem auf die Weltmeisterschaft 1974 vor. Zuvor hatten schon die beliebten "Immenhof"-Filme in den 50er-Jahren dem Ort ein Denkmal gesetzt.
1920 eröffnet Hans Petersen eine Schlachterei in der Bahnhofstraße.
Und die Familie verkauft noch immer Fleisch und Wurst.
Heute sind die Petersens auf Räucherware wie Holsteiner Katenschinken spezialisiert.
Erst das Hoch, dann der Fall
Die Übernachtungszahlen steigen rasant.
"Züge, die in den 80er-Jahren die Urlauberscharen hierher brachten, wurden 'Samba-Züge' genannt. Wochenendausflügler kamen hier schon gut beschwipst an.
Das soll fast Ballermann-Feeling gehabt haben, wurde mir erzählt", schmunzelt der 31-jährige Frahm.
"Anfang der 90er-Jahre", so Frahm, "zählte die Fünf-Seen-Fahrt fast eine Viertelmillion Fahrgäste im Jahr, heute sind wir bei 80.000."
Dass die goldenen Zeiten vorbei seien, liege auch an der Wiedervereinigung und der plötzlichen Konkurrenz in den neuen Bundesländern, ist sich der Chef der "Weißen Flotte" sicher.
Bereits um 1600 steht laut Amtsprotokoll an dieser Stelle ein "Krug".
1923 wird in "Krohns Gasthaus" nach Bundesvorschrift eine Doppel-Kegelbahn gebaut.
Heute wird hier weder gekegelt noch gespeist.
Das leer stehende Haus wird lediglich als Werbefläche für Plakate eines nahegelegenen Obsthofes genutzt.
Den Anschluss verpasst?
"Wir haben unser Alleinstellungsmerkmal verloren.
Ein Berliner etwa kann schneller und günstiger verreisen, wenn er in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub macht." Außerdem habe die Holsteinische Schweiz den Anschluss verpasst, meint Frahm.
Und das sieht man, wenn man durch den Ort geht.
Malente wirkt ein wenig wie aus der Zeit gefallen.
Eingewachsene verlassene Villen, leer stehende Ladenzeilen und Restaurants sowie ein verwahrloster 34 Meter hoher Betonklotz, der einmal Hotel war und mittlerweile zum traurigen Wahrzeichen Malentes geworden ist.
Bis Anfang der 70er-Jahre trübt kein großer Hotelbau die Idylle am Dieksee-Anleger der "5-Seen-Fahrt".
Dann wird das "Intermar" gebaut, um die vielen Gäste, die nach Malente kommen, unterzubringen. So viele Touristen wie damals zieht es heute nicht mehr in den Ort. Der Hotelbetrieb ist unlängst eingestellt worden.
Es wird wieder investiert
"Erst die Rente, dann Malente."
Ein in der Region bekannter Spruch, der zu stimmen scheint, wenn man die auffallend vielen alten Menschen durch die Straßen gehen sieht.
Aber es bewegt sich etwas.
Bürgermeisterin Rönck hat den Plan "Malente 2030" angeschoben, um die Gemeinde mit neuen Investitionen in den Tourismus-, Bildungs- und Gesundheitsstandort Malente zukunftsfest zu machen.
Und die "5-Seen-Fahrt"? Die Talsohle sei durchschritten, sagt Frahm.
Es geht wieder bergauf mit den Passagierzahlen.
Um 1900 fahren noch Pferdekutschen auf der Bahnhofstraße, in dem Backsteinhaus auf der rechten Seite eröffnet das "Kaiserliche Postamt".
Die Gebäude stehen heute noch immer, sind gut erhalten.
Kutschen, Kaiser und Postamt gehören allerdings der Vergangenheit an.
Heiraten auf der "Dieksee"
Und: An Bord des Restaurantschiffs "Dieksee" darf inzwischen auch offiziell geheiratet werden.
Das werde gut angenommen.
Er selbst habe es auch getan, berichtet Frahm, dem man anmerkt, dass ihm das traditionsreiche Schifffahrtsunternehmen am Herzen liegt.
"Es macht gerade richtig Spaß, weil ich sehe, dass in dieser landschaftlich wunderschönen Gegend endlich investiert wird und hier wieder etwas passiert."
Und er hofft, dass die enge Verbindung zwischen seiner Familie und der Malenter "5-Seen-Fahrt" noch einmal mindestens 126 Jahre hält.
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 18.08.2018 06:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... te220.html
von Julian Marxen
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Julian Marxen
Es muss ein schnaubendes Rattern sein, das im Juni 1892 Fische, Vögel und Bewohner im beschaulichen Malente-Gremsmühlen aufhorchen lässt.
Ein Kahn, besetzt mit Mensch in feinstem Zwirn, tuckert über den idyllischen Dieksee.
Und jeder im Ort weiß:
Diese Bootstour ist eine hoheitliche Angelegenheit.
Der "Anzeiger für das Fürstenthum Lübeck" berichtet, dass kein Geringerer als "Seine Königliche Hoheit Friedrich Peter von Oldenburg nebst Gattin und seinen durchlauchtigsten Kindern" sich die Ehre gibt, bei der ersten "genußreichen Wasserfahrt" dabei zu sein.
TEXT-KOPIE !
Bei der Jungfernfahrt des ersten Boots 1892 im Dieksee ist auch der Großherzog von Oldenburg an Bord.
Offiziell heißt das Schiff "Elisabeth", im Volksmund wird es aber nur "Zitteraal" genannt.
Heute sind die modernen Schiffe der "5-Seen-Fahrt" deutlich komfortabler, eines hat sogar ein kleines Bordrestaurant.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
"Elisabeth" rüttelt die Hoheiten durch
Es ist die Jungfernfahrt der Passagierschiffs "Elisabeth", benannt nach der Großherzogin von Oldenburg.
Auch wenn dieser Name wohlig klingt, im Volksmund wird das Boot seiner Zeit nur "Zitteraal" genannt, aufgrund des stark vibrierenden 4-PS-Petroleummotors.
Ob diese Rütteltour den durchlauchten Gästen gefallen hat?
Im 19. Jahrhundert kommen viele gut betuchte Damen und Herren aus Berlin und Hamburg mit der Eisenbahn nach Malente-Gremsmühlen.
Die Bahnstation Gremsmühlen gleicht einem Laufsteg für die Schönen und Reichen.
Von diesem Flair ist heute nichts mehr zu spüren.
Das Bahnhofsgebäude selbst steht leer, wird gerade von einem Investor saniert.
Sein Plan: den Bahnhof mit Läden und Gastronomie wiederzubeleben.
Immer mehr Gäste kommen mit der Eisenbahn
Das weiß auch der Geschäftsführer der heutigen 5-Seen-Fahrt, Hinnerk Frahm, nicht. Aber die Tatsache, dass er schon in vierter Generation in dem traditionsreichen Unternehmen tätig ist, zeigt:
Die Gründungsväter - Kaufleute aus Malente, Plön, Eutin und Timmdorf - hatten damals den richtigen Riecher, als sie die zitternde "Elisabeth" zu Wasser ließen.
"Die Geschäftsleute wollten mit dem Motorbootverkehr den Tourismus weiter ankurbeln", berichtet Frahm.
Und es funktionierte.
Nach dem Ersten Weltkrieg werden in dieser stattlichen Villa psychisch Erkrankte behandelt.
Mit dem Bau eines neuen Krankenhauses in den 50er-Jahren an anderer Stelle gibt es für das "Haus Schönow" keine Verwendung mehr.
Ginge es nach Malentes Bürgermeisterin, Tanja Rönck (parteilos), könnte auf dem Parkgelände schon bald ein Baumhaushotel entstehen.
Die verwunschene Villa zeugt von Zeiten, in denen sich reiche Kaufleute in Malente niederließen und sich ihr Domizil nach Herzenslust einrichteten.
1907 baut ein Berliner Kaufmann, der in den Adelsstand erhoben wurde, sein Haus standesgemäß aus.
Heute wirkt das "Schloss Eggersdorf" wie ein Spukhaus.
Eingewachsen, unbewohnt, mit verwitterten Steinfiguren inmitten eines parkähnlichen Gartens.
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Um 1900: Werbung mit "Gebirgsluft"
Um die Jahrhundertwende reisen immer mehr Menschen an, um die reizvolle Wald- und Seenlandschaft rund um Malente zu genießen.
Sie kommen mit der Eisenbahn aus Hamburg und Berlin, einige von ihnen bauen hier sogar Villen, die Kaufleute verbuchen laut Malenter Chronik wachsende Umsätze.
Es entstehen neue Hotels.
In Zeitungen machen sie mit der Wortschöpfung "Holsteinische Schweiz" auf sich aufmerksam und preisen vollmundig die "reizende Lage und gesunde Gebirgsluft" an.
Auch wenn Malente in Wirklichkeit eher Hügel als Berge zu bieten hat, den Sommerfrischlern um 1900 gefällt es trotzdem.
Der Tourismus macht Malente groß.
Der Blick vom 1912 fertiggestellten Wasserturm zeigt:
Wo einst landwirtschaftliche Flächen und nur wenige Häuser das Landschaftsbild prägten, stehen heute viele Häuser und Bäume.
Durchfahrten müssen ausgebaggert werden
"Die Holsteinische Schweiz war ziemlich angesagt", weiß Frahm.
Und die Fahrt über den Dieksee, Langensee, Behlersee, Höftsee bis nach Plön sei eine besondere Attraktion gewesen. "Meine Vorgänger haben mit der Zeit immer größere Schiffe angeschafft, weil die alten zu klein wurden."
Allerdings gab es auch Probleme:
"Bei Timmdorf, wo sich die Schwentine unter einer Brücke durchschlängelt und zwei Seen miteinander verbindet, konnte das Schiff nicht unter der Brücke durchfahren.
Das Schiff war zu hoch, also mussten die Fahrgäste an Land gehen und auf ein anderes Boot umsteigen", erzählt Frahm. Und in den Plöner Edebergsee sei nur gefahren worden, wenn das Wasser hoch gestanden habe.
Früher wie heute brauchen die Kapitäne viel Fingerspitzengefühl, wenn sie die Haltestelle Timmdorf passieren.
An der engen Durchfahrt, die vom Diek- in den Langensee führt, hat sich von 1971 bis heute nicht viel geändert.
Tour durch alle fünf Seen wird möglich
Nach dem Ersten Weltkrieg werden die Durchfahrten dann aber vertieft und die Brücke erhöht.
Ein Schiff kann jetzt durchgängig in alle fünf Seen fahren.
Aus der "Motorbootgesellschaft Dieksee" wird die "5-Seen-Fahrt".
Wie Frahm berichtet, passten 1938 immerhin schon 200 Passagiere auf das größte Schiff der Flotte.
Doch der Zweite Weltkrieg schickt die Schiffe in Zwangspause.
Öffentliche Fahrten gibt es nicht. Malente-Gremsmühlen wird Lazarettstadt.
Die alte Gremsmühle war ursprünglich eine mit Wasser betriebene Getreidemühle.
Vom 13. bis ins 20. Jahrhundert wurde hier gemahlen.
1956 wurde der Betrieb eingestellt - zu unrentabel.
Als Wahrzeichen Malentes dreht sich ihr Rad aber noch heute.
Auf einer Fischtreppe neben der Mühle können mittlerweile Kanu- und Kajak-Fahrer von der Schwentine in den Dieksee übersetzen.
Kneippkur in Malente
Nach dem Krieg geht es in Malente nur schleppend voran.
Doch dann sieht der Ort seine Chance in einer neuen Gesundheitsmode und wird Kneipp-Heilbad.
Nach und nach entstehen Wassertretbecken, Trimm-Dich-Pfad, Kurpark, Haus des Gastes, neue Kliniken und Hotels. Malente erlebt eine neue Blütezeit, von der auch die Fünf-Seen-Fahrt profitiert.
Gleichzeitig verändert der Ort sein Gesicht. Eine Mischung aus Urlauberfamilien und Kurgästen bevölkert die Promenaden, vom exklusiven und mondänen Charme von einst ist immer weniger zu spüren.
Sie versprühen mondänen Charme: die Hotels "Zum Brahmberg" und "Bellevue".
Hier wird um 1900 noch edel gefeiert und genächtigt. Die Häuser werden 2007 und 1989 abgerissen. Viele Malenter trauern den beiden ansehnlichen Gebäuden heute noch nach.
Immenhof, Intermar und der DFB
Statt Villen werden nun funktionale Bauten errichtet.
Auf der Halbinsel am Dieksee, direkt neben dem Schiffsanleger, wird das altehrwürdige Städtische Kurhaus Anfang der 70er-Jahre abgerissen.
An seiner statt wird das für diesen Ort recht gigantisch wirkende Intermar-Hotel in die Höhe gezogen, mit zwölf Geschossen, einem Saal für 400 Menschen und zwei Tiefgaragen.
Auch die Fünf-Seen-Fahrt investiert kräftig. Von 1971 bis 1986 laufen die heute aktuellen Schiffe "Malente", "Grünau" und "Dieksee" vom Stapel.
Es ist auch jene Zeit, in der die Deutsche Fußballnationalmannschaft den Geist von Malente beschwört und den Ort endgültig bundesweit bekannt macht, das DFB-Team bereitet sich hier unter anderem auf die Weltmeisterschaft 1974 vor. Zuvor hatten schon die beliebten "Immenhof"-Filme in den 50er-Jahren dem Ort ein Denkmal gesetzt.
1920 eröffnet Hans Petersen eine Schlachterei in der Bahnhofstraße.
Und die Familie verkauft noch immer Fleisch und Wurst.
Heute sind die Petersens auf Räucherware wie Holsteiner Katenschinken spezialisiert.
Erst das Hoch, dann der Fall
Die Übernachtungszahlen steigen rasant.
"Züge, die in den 80er-Jahren die Urlauberscharen hierher brachten, wurden 'Samba-Züge' genannt. Wochenendausflügler kamen hier schon gut beschwipst an.
Das soll fast Ballermann-Feeling gehabt haben, wurde mir erzählt", schmunzelt der 31-jährige Frahm.
"Anfang der 90er-Jahre", so Frahm, "zählte die Fünf-Seen-Fahrt fast eine Viertelmillion Fahrgäste im Jahr, heute sind wir bei 80.000."
Dass die goldenen Zeiten vorbei seien, liege auch an der Wiedervereinigung und der plötzlichen Konkurrenz in den neuen Bundesländern, ist sich der Chef der "Weißen Flotte" sicher.
Bereits um 1600 steht laut Amtsprotokoll an dieser Stelle ein "Krug".
1923 wird in "Krohns Gasthaus" nach Bundesvorschrift eine Doppel-Kegelbahn gebaut.
Heute wird hier weder gekegelt noch gespeist.
Das leer stehende Haus wird lediglich als Werbefläche für Plakate eines nahegelegenen Obsthofes genutzt.
Den Anschluss verpasst?
"Wir haben unser Alleinstellungsmerkmal verloren.
Ein Berliner etwa kann schneller und günstiger verreisen, wenn er in Mecklenburg-Vorpommern Urlaub macht." Außerdem habe die Holsteinische Schweiz den Anschluss verpasst, meint Frahm.
Und das sieht man, wenn man durch den Ort geht.
Malente wirkt ein wenig wie aus der Zeit gefallen.
Eingewachsene verlassene Villen, leer stehende Ladenzeilen und Restaurants sowie ein verwahrloster 34 Meter hoher Betonklotz, der einmal Hotel war und mittlerweile zum traurigen Wahrzeichen Malentes geworden ist.
Bis Anfang der 70er-Jahre trübt kein großer Hotelbau die Idylle am Dieksee-Anleger der "5-Seen-Fahrt".
Dann wird das "Intermar" gebaut, um die vielen Gäste, die nach Malente kommen, unterzubringen. So viele Touristen wie damals zieht es heute nicht mehr in den Ort. Der Hotelbetrieb ist unlängst eingestellt worden.
Es wird wieder investiert
"Erst die Rente, dann Malente."
Ein in der Region bekannter Spruch, der zu stimmen scheint, wenn man die auffallend vielen alten Menschen durch die Straßen gehen sieht.
Aber es bewegt sich etwas.
Bürgermeisterin Rönck hat den Plan "Malente 2030" angeschoben, um die Gemeinde mit neuen Investitionen in den Tourismus-, Bildungs- und Gesundheitsstandort Malente zukunftsfest zu machen.
Und die "5-Seen-Fahrt"? Die Talsohle sei durchschritten, sagt Frahm.
Es geht wieder bergauf mit den Passagierzahlen.
Um 1900 fahren noch Pferdekutschen auf der Bahnhofstraße, in dem Backsteinhaus auf der rechten Seite eröffnet das "Kaiserliche Postamt".
Die Gebäude stehen heute noch immer, sind gut erhalten.
Kutschen, Kaiser und Postamt gehören allerdings der Vergangenheit an.
Heiraten auf der "Dieksee"
Und: An Bord des Restaurantschiffs "Dieksee" darf inzwischen auch offiziell geheiratet werden.
Das werde gut angenommen.
Er selbst habe es auch getan, berichtet Frahm, dem man anmerkt, dass ihm das traditionsreiche Schifffahrtsunternehmen am Herzen liegt.
"Es macht gerade richtig Spaß, weil ich sehe, dass in dieser landschaftlich wunderschönen Gegend endlich investiert wird und hier wieder etwas passiert."
Und er hofft, dass die enge Verbindung zwischen seiner Familie und der Malenter "5-Seen-Fahrt" noch einmal mindestens 126 Jahre hält.
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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- Registriert: Di 3. Okt 2023, 09:07
Re: Schleswig-Holstein früher und heute
Ein Eisenwarenladen schreibt Möllner Geschichte
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 08.09.2018 05:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... ln336.html
TEXT-KOPIE !
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Katrin Bohlmann
Schrauben, Nägel und Schlüssel:
Das gab es in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg alles bei "Kahl Vadder" zu kaufen. Handwerker, Landwirte und Hobbybastler waren Stammkunden in dem Eisenwarengeschäft in der Hauptstraße 91. Und das über mehrere Generationen: Mehr als 340 Jahre gab es den Laden an der markanten Ecke mit den Bäumen davor in der Möllner Innenstadt. Alle nannten ihn nur "Kahl Vadder", also "Vater Kahl" - der erste namentlich bekannte Inhaber hieß vor Jahrhunderten Johann Hinrich Kahl. Die längste Zeit aber hießen die Inhaber Burmeister. Jürgen (84) und Elfriede (80) Burmeister sind die letzte noch lebende Burmeister-Generation in Mölln. Sie haben das Geschäft bis zuletzt geführt. Fast 40 Jahre standen sie hinter dem Ladentresen. 1998 mussten sie schließen. Es war laut Stadtarchiv das älteste Geschäft Möllns.
Die Möllner Innenstadt im Bereich Hauptstraße/Marktstraße um 1950 und heute. Das Eckhaus rechts im Bild mit den Bäumen davor ist "Kahl Vadder", der Eisenwarenladen der Familie Burmeister. Mehr als 340 Jahre wurden hier Schrauben, Nägel und Schlösser verkauft. Die Marktstraße, die am Geschäft hochgeht, führt zum historischen Marktplatz und zur St. Nikolaikirche. (Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das Mölln von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)
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Eine Hochzeit ändert den Namen
Die Burmeisters haben das Geschäftsleben und das Stadtbild in Mölln geprägt. Erstmals Erwähnung fand das Eisenwarengeschäft 1659 in einem Schriftstück. Mölln war zu der Zeit noch an Lübeck verpfändet, Johann Hinrich Kahl der Chef. Als eine Kahl-Tochter einen Burmeister heiratete, wurde aus dem Geschäft offiziell "Eisen-Burmeister". Die Möllner aber blieben über Generationen bei dem Kosenamen "Kahl Vadder".
Der Blick vom Eisenwarenladen an der Ecke auf die Hauptstraße 1967 und heute. Viele Geschäfte von damals gibt es nicht mehr. "Kahl Vadder" auch nicht - aber das Geschäft hat lange überlebt.
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Von Napoleon bis zur Wiedervereinigung
Der Laden hat im Laufe der Jahrhunderte viel mitgemacht: Napoleon, Bismarck, Weimarer Republik, Drittes Reich, Revolutionen und (Welt-)Kriege, Wiederaufbau, Wiedervereinigung. "Das ist schon außergewöhnlich und einzigartig: so eine lange Tradition", sagt Möllns Archivleiter Christian Lopau. "Von den alten Möllnern kennt jeder den Laden, der auch einen ganz besonderen Zauber hatte. Man bekam dort wirklich alles: von der kleinsten Schraube und Mutter bis zu allen erdenklichen Werkzeugen für Haus und Garten." Schubladenverkauf nennt es Jürgen Burmeister. Und wenn's etwas nicht gab, hat der tüchtige Geschäftsmann es besorgt.
Er ist das Wahrzeichen Möllns auf dem historischen Marktplatz: Till Eulenspiegel. Der Aberglaube besagt, dass man an seinem Daumen und/oder seinen Schuhspitzen reiben soll - das bringe Glück, heißt es. Entsprechend blank poliert sehen Daumen und Schuhe aus. 1950 wurde der Eulenspiegelbrunnen dort feierlich vom damaligen Bürgermeister Hermann Franck eingeweiht.
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Die Handwerker klingeln morgens um 6 Uhr
20 Jahre später steht Jürgen Burmeister erneut in seinem alten Laden. Er schaut sich um, geht herum. Erinnerungen werden wach: Wo der Tresen stand, wo die Kochtopfabteilung war und die Eisenware lag. "Ich weiß noch, wie mich morgens um 6 Uhr die Handwerker herausgeklingelt haben, weil sie ein Paket Nägel brauchten auf dem Weg zur Baustelle", erzählt er. "Das habe ich gerne gemacht. Wir haben zu unseren Kunden immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Wenn du das heute jemandem erzählst, sagen die: Geht's noch?"
Gegenüber von Till Eulenspiegel stehen das Möllner Museum (links) und das alte Schuhgeschäft von Fritz Lübbert. Die alten Möllner nennen es das Lübbersche Haus. Das alte Foto ist um 1910 entstanden.
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Service, Kompetenz und Plattschnacken
Der Umgangston war entscheidend, sagt Jürgen Burmeister: locker, nicht zu steif. Dazu gehörte auch, dass er Platt schnackte. Denn die meisten seiner Kunden kamen aus dem Möllner Umland und schnackten nur Platt. Und was noch half, wie er sagt: Dass er sich in fast allen Berufen gut auskannte und wusste, worauf es ankam. Kundenservice und Kompetenz nennt man das heute.
Ein Backsteingebäude, das vielen Herren diente: Der Statthauptmannshof war lange Wohnsitz des Statthalters. In den 1930er-Jahren diente er als Schulgebäude, heute ist er Sitz der Stiftung Herzogtum Lauenburg und der Akademie für Wissenschaft und Kultur.
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Elfriede Burmeister wechselt die Straßenseite
Jürgen Burmeister hat seinen Beruf von der Pieke auf gelernt. In Dortmund geboren hat er in Hamburg seine kaufmännische Ausbildung absolviert. Eigentlich wollte er diesen Weg gar nicht gehen. Aber er musste. Die Familie hatte das so entschieden. Da sein Onkel im Zweiten Weltkrieg gefallen war, musste er - der Älteste von drei Geschwistern - für ihn im Eisenwarengeschäft einsteigen. Seine Frau Elfriede - gelernte Einzelhandelskauffrau - half mit. Später führte sie einen zweiten Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Hauptstraße 104. Elfriede Burmeister verkaufte in dem Haushaltwarengeschäft Gläser, Porzellan und Geschenkartikel. 25 Mitarbeiter hatten die Burmeisters. Beide Läden sind ein Stück Möllner Geschichte.
Der Mühlenplatz in Mölln am Geländer Mühlengraben: 1920 und 2018. Damals standen dort Holzkarren, heute Autos. Rechts ist die Polizeistation Mölln. Im Hintergrund befindet sich damals wie heute die St. Nikolaikirche.
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1998 schließt "Kahl Vadder" endgültig die Tür
Aber die Zeiten ändern sich. Die sogenannte grüne Wiese blühte auf. Die Baumärkte außerhalb des Stadtkerns sprießen. "Da es in der Möllner Innenstadt wenig Parkplätze gab, blieben die Kunden immer öfter weg", berichtet Elfriede Burmeister traurig. Irgendwann ging es nicht mehr. Der Umsatz ging zurück, die Konkurrenz wurde zu groß. Die Burmeisters - kinderlos - mussten am 15. März 1998 schließen. Eine Möllner Institution verschwand. Nach mehr als 340 Jahren gab es "Kahl Vadder" nicht mehr. Diese Entscheidung fiel dem Ehepaar Burmeister sehr schwer.
Die Seestraße in Mölln in Blickrichtung Norden zum Wassertor. Das alte Foto stammt aus der Zeit um 1905. Wie der Name schon sagt, führt die Straße in der Innenstadt in einem Bogen am Stadtsee entlang.
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Auch ein Museum hält die Erinnerungen wach
Aber das Duo hat sich nicht zur Ruhe gesetzt. Sie wirken immer noch im Möllner Leben mit. Sie engagieren sich vor allem für die Geschäftsleute. Die beiden Läden haben sie vermietet. In dem alten Haushaltswarengeschäft ist nun eine Boutique. In dem alten Eisenwarenladen war über Jahrzehnte ein Grill-Imbiss. Mittlerweile ist eine Krankenversicherung eingezogen. Wer noch einmal in Erinnerungen an "Kahl Vadder" schwelgen möchte, sollte ins benachbarte Steinhorst fahren. Ein Teil der Einrichtung des alten Möllner Eisenwarenladens ist in das "Museum für vergessene Arbeit" gewandert.
Gegenüber von dem Eisenwarenladen lag das Haushaltswarengeschäft der Burmeisters, Hauptstraße 104. "Heinrich Burmeister" stand noch in den 1970er-Jahren groß an der Fassade. Heute ist dort eine Boutique untergebracht.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 08.09.2018 05:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... ln336.html
TEXT-KOPIE !
Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.
von Katrin Bohlmann
Schrauben, Nägel und Schlüssel:
Das gab es in Mölln im Kreis Herzogtum Lauenburg alles bei "Kahl Vadder" zu kaufen. Handwerker, Landwirte und Hobbybastler waren Stammkunden in dem Eisenwarengeschäft in der Hauptstraße 91. Und das über mehrere Generationen: Mehr als 340 Jahre gab es den Laden an der markanten Ecke mit den Bäumen davor in der Möllner Innenstadt. Alle nannten ihn nur "Kahl Vadder", also "Vater Kahl" - der erste namentlich bekannte Inhaber hieß vor Jahrhunderten Johann Hinrich Kahl. Die längste Zeit aber hießen die Inhaber Burmeister. Jürgen (84) und Elfriede (80) Burmeister sind die letzte noch lebende Burmeister-Generation in Mölln. Sie haben das Geschäft bis zuletzt geführt. Fast 40 Jahre standen sie hinter dem Ladentresen. 1998 mussten sie schließen. Es war laut Stadtarchiv das älteste Geschäft Möllns.
Die Möllner Innenstadt im Bereich Hauptstraße/Marktstraße um 1950 und heute. Das Eckhaus rechts im Bild mit den Bäumen davor ist "Kahl Vadder", der Eisenwarenladen der Familie Burmeister. Mehr als 340 Jahre wurden hier Schrauben, Nägel und Schlösser verkauft. Die Marktstraße, die am Geschäft hochgeht, führt zum historischen Marktplatz und zur St. Nikolaikirche. (Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das Mölln von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)
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Eine Hochzeit ändert den Namen
Die Burmeisters haben das Geschäftsleben und das Stadtbild in Mölln geprägt. Erstmals Erwähnung fand das Eisenwarengeschäft 1659 in einem Schriftstück. Mölln war zu der Zeit noch an Lübeck verpfändet, Johann Hinrich Kahl der Chef. Als eine Kahl-Tochter einen Burmeister heiratete, wurde aus dem Geschäft offiziell "Eisen-Burmeister". Die Möllner aber blieben über Generationen bei dem Kosenamen "Kahl Vadder".
Der Blick vom Eisenwarenladen an der Ecke auf die Hauptstraße 1967 und heute. Viele Geschäfte von damals gibt es nicht mehr. "Kahl Vadder" auch nicht - aber das Geschäft hat lange überlebt.
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Von Napoleon bis zur Wiedervereinigung
Der Laden hat im Laufe der Jahrhunderte viel mitgemacht: Napoleon, Bismarck, Weimarer Republik, Drittes Reich, Revolutionen und (Welt-)Kriege, Wiederaufbau, Wiedervereinigung. "Das ist schon außergewöhnlich und einzigartig: so eine lange Tradition", sagt Möllns Archivleiter Christian Lopau. "Von den alten Möllnern kennt jeder den Laden, der auch einen ganz besonderen Zauber hatte. Man bekam dort wirklich alles: von der kleinsten Schraube und Mutter bis zu allen erdenklichen Werkzeugen für Haus und Garten." Schubladenverkauf nennt es Jürgen Burmeister. Und wenn's etwas nicht gab, hat der tüchtige Geschäftsmann es besorgt.
Er ist das Wahrzeichen Möllns auf dem historischen Marktplatz: Till Eulenspiegel. Der Aberglaube besagt, dass man an seinem Daumen und/oder seinen Schuhspitzen reiben soll - das bringe Glück, heißt es. Entsprechend blank poliert sehen Daumen und Schuhe aus. 1950 wurde der Eulenspiegelbrunnen dort feierlich vom damaligen Bürgermeister Hermann Franck eingeweiht.
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Die Handwerker klingeln morgens um 6 Uhr
20 Jahre später steht Jürgen Burmeister erneut in seinem alten Laden. Er schaut sich um, geht herum. Erinnerungen werden wach: Wo der Tresen stand, wo die Kochtopfabteilung war und die Eisenware lag. "Ich weiß noch, wie mich morgens um 6 Uhr die Handwerker herausgeklingelt haben, weil sie ein Paket Nägel brauchten auf dem Weg zur Baustelle", erzählt er. "Das habe ich gerne gemacht. Wir haben zu unseren Kunden immer ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Wenn du das heute jemandem erzählst, sagen die: Geht's noch?"
Gegenüber von Till Eulenspiegel stehen das Möllner Museum (links) und das alte Schuhgeschäft von Fritz Lübbert. Die alten Möllner nennen es das Lübbersche Haus. Das alte Foto ist um 1910 entstanden.
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Service, Kompetenz und Plattschnacken
Der Umgangston war entscheidend, sagt Jürgen Burmeister: locker, nicht zu steif. Dazu gehörte auch, dass er Platt schnackte. Denn die meisten seiner Kunden kamen aus dem Möllner Umland und schnackten nur Platt. Und was noch half, wie er sagt: Dass er sich in fast allen Berufen gut auskannte und wusste, worauf es ankam. Kundenservice und Kompetenz nennt man das heute.
Ein Backsteingebäude, das vielen Herren diente: Der Statthauptmannshof war lange Wohnsitz des Statthalters. In den 1930er-Jahren diente er als Schulgebäude, heute ist er Sitz der Stiftung Herzogtum Lauenburg und der Akademie für Wissenschaft und Kultur.
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Elfriede Burmeister wechselt die Straßenseite
Jürgen Burmeister hat seinen Beruf von der Pieke auf gelernt. In Dortmund geboren hat er in Hamburg seine kaufmännische Ausbildung absolviert. Eigentlich wollte er diesen Weg gar nicht gehen. Aber er musste. Die Familie hatte das so entschieden. Da sein Onkel im Zweiten Weltkrieg gefallen war, musste er - der Älteste von drei Geschwistern - für ihn im Eisenwarengeschäft einsteigen. Seine Frau Elfriede - gelernte Einzelhandelskauffrau - half mit. Später führte sie einen zweiten Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Hauptstraße 104. Elfriede Burmeister verkaufte in dem Haushaltwarengeschäft Gläser, Porzellan und Geschenkartikel. 25 Mitarbeiter hatten die Burmeisters. Beide Läden sind ein Stück Möllner Geschichte.
Der Mühlenplatz in Mölln am Geländer Mühlengraben: 1920 und 2018. Damals standen dort Holzkarren, heute Autos. Rechts ist die Polizeistation Mölln. Im Hintergrund befindet sich damals wie heute die St. Nikolaikirche.
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1998 schließt "Kahl Vadder" endgültig die Tür
Aber die Zeiten ändern sich. Die sogenannte grüne Wiese blühte auf. Die Baumärkte außerhalb des Stadtkerns sprießen. "Da es in der Möllner Innenstadt wenig Parkplätze gab, blieben die Kunden immer öfter weg", berichtet Elfriede Burmeister traurig. Irgendwann ging es nicht mehr. Der Umsatz ging zurück, die Konkurrenz wurde zu groß. Die Burmeisters - kinderlos - mussten am 15. März 1998 schließen. Eine Möllner Institution verschwand. Nach mehr als 340 Jahren gab es "Kahl Vadder" nicht mehr. Diese Entscheidung fiel dem Ehepaar Burmeister sehr schwer.
Die Seestraße in Mölln in Blickrichtung Norden zum Wassertor. Das alte Foto stammt aus der Zeit um 1905. Wie der Name schon sagt, führt die Straße in der Innenstadt in einem Bogen am Stadtsee entlang.
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Auch ein Museum hält die Erinnerungen wach
Aber das Duo hat sich nicht zur Ruhe gesetzt. Sie wirken immer noch im Möllner Leben mit. Sie engagieren sich vor allem für die Geschäftsleute. Die beiden Läden haben sie vermietet. In dem alten Haushaltswarengeschäft ist nun eine Boutique. In dem alten Eisenwarenladen war über Jahrzehnte ein Grill-Imbiss. Mittlerweile ist eine Krankenversicherung eingezogen. Wer noch einmal in Erinnerungen an "Kahl Vadder" schwelgen möchte, sollte ins benachbarte Steinhorst fahren. Ein Teil der Einrichtung des alten Möllner Eisenwarenladens ist in das "Museum für vergessene Arbeit" gewandert.
Gegenüber von dem Eisenwarenladen lag das Haushaltswarengeschäft der Burmeisters, Hauptstraße 104. "Heinrich Burmeister" stand noch in den 1970er-Jahren groß an der Fassade. Heute ist dort eine Boutique untergebracht.
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Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise !
Höchste Zeit ist’s!
Reise, reise ... AN DIE KÜSTE
Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.