Schleswig-Holstein früher und heute

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frische Luft
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Mr. Gordon und die Geschichte einer Postkarte
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 06.07.2019 06:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... rn392.html

BILD und TEXT-KOPIE:

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Robert Tschuschke

Alan Gordon steht in Elmshorn vor Stelen. © NDR Foto: Robert Tschuschke

Bild befindet sich im o.g. Link !

Seine Mutter hat Alan Gordon Fotokisten hinterlassen. Das war der Anfang seiner Suche nach der Familiengeschichte über tausende Kilometer hinweg.

Alan Gordon aus Amherst in New Hampshire in den Vereinigten Staaten ist auf der Suche nach der Vergangenheit seiner Familie.
Mehrere Tausend Kilometer von seinem Zuhause entfernt sitzt der pensionierte Pädagoge im kleinen, weiß gekachelten Elmshorner Stadtarchiv, direkt gegenüber vom Rathaus.
"Meine Urgroßmutter Charlotte Franck wurde in den 1870ern in Elmshorn geboren.
Und das hat mich hierher gebracht", erzählt der 70-Jährige mit grauem Schnauzbart und lächelt dabei.

Seine verstorbene Mutter hatte sechs große Fotokisten hinterlassen - ohne Namen oder andere Bezeichnungen.
"Aber es gibt eine Postkarte von der Schwester meiner Urgroßmutter mit einem Bild", sagt Gordon.
"Darauf ist eine Straßenszene aus dem Zentrum Elmshorns zu sehen, mit vielen Bäumen und einem X an einem weißen Haus. Das X sagte: Hier wurden wir geboren."

marktstrasse106_v-contentgross.jpg
marktstrasse106_v-contentgross.jpg (110.07 KiB) 5310 mal betrachtet
Mit der Postkarte vom Elmshorner Markt fing für Alan Gordon aus den USA die Suche nach seiner Familiengeschichte an.
In dem weißen Haus mit dem "X" (altes Bild) lebten bis mindestens 1885 seine Vorfahren.
(Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das Elmshorn von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)


Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Ehrenamtlicher Historiker öffnet Akten für Gordon
Mehr als 1.300 Familienmitglieder hat Alan Gordon über verschiedene Datenbanken bereits recherchieren können.
Während seiner Ahnensuche traf er vor zwei Jahren auf den ehrenamtlichen Historiker Harald Kirschninck, der in Elmshorn seit Jahrzehnten die Geschichte des Alten Jüdischen Friedhofes und der dort begrabenen Familien aufarbeitet.

Jetzt forschen sie zusammen, beugen sich über mehrere Akten aus dem Elmshorner Geburts- und Sterberegister, vervollständigen Stammbäume und gucken sich altes Fotomaterial um 1900 auf dem Archiv-Computer an.
Bei einem Bild vom Alten Markt bleibt Harald Kirschninck hängen:
"Da sieht man den Blick in die Marktstraße mit einem Goldschmied und einem Papierhändler.
Das ist das alte Elmshorn. Da gehen wir jetzt hin."


Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Bis in die 1930er-Jahre hinein lebten und arbeiteten im Elmshorner Flamweg viele Juden.
Heute erinnern Stolpersteine an in der NS-Zeit deportierte und ermordete jüdische Familien.


Ein weißes Einfamilienhaus: Die Aufregung steigt
Die Glocken der Nikolaikirche am Alten Markt läuten.

Ein Schwarz-Weiß-Foto auf einem Infoschild vor der Kirche zeigt eine Szene des Platzes mit Planwagen und Männern mit Schiebermützen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Alan Gordon schaut aufgeregt an vielen Bäumen und einer großen Eisdiele vorbei.

Ein altes Bild von Charlotte Franck aus dem Jahr 1901 © Privatarchiv Alan Gordon

Bild befindet sich im o.g. Link !

Gordons Urgroßmutter Charlotte Franck wurde in den 1870ern in Elmshorn geboren.
Plötzlich bemerkt er in der Fußgängerzone neben einer mehrstöckigen Einkaufspassage ein kleines weißes Einfamilienhaus mit Spitzdach. Im Erdgeschoss ist ein Smartphone-Shop. Schnell geht Alan Gordon darauf zu.

"Das ist der Geburtsort meiner Urgroßmutter und ihrer fünf Geschwister in der Mitte des 19. Jahrhunderts", ruft Gordon. "Und guck mal hier gegenüber ist immer noch ein Uhren- und Schmuckladen.
Das Geschäft geht weiter. Stell Dir das mal vor!"

Urgroßmutter musste Novemberpogrome nicht erleben
Alan Gordon ist überwältigt.
Er entschließt sich aber der Höflichkeit wegen, nicht bei den Bewohnern des Hauses im ersten Stock zu klingeln. Stattdessen geht es ein paar Meter weiter durch die Fußgängerzone, hin zum Flamweg.
Hier war das alte jüdische Viertel Elmshorns.

Ein altes Bild der Synagoge in Elmshorn. © NDR Foto: Kirschninck

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Die Synagoge in Elmshorn wurde während der Novemberpogrome von den Nazis angezündet.
Alan Gordon und seine Frau Pamela bleiben an sogenannten Stolpersteinen stehen und lesen die Namen deportierter und umgebrachter Juden.
Während der NS-Zeit lebte Gordons Urgroßmutter Charlotte Franck längst in New York und musste nicht miterleben, wie am 9. November 1938 die Elmshorner Synagoge von den Nazis angezündet wurde und viele Juden verhaftet wurden.

Rostige Stelen aus Stahl erinnern an die Synagoge
Zwischen einem kleinen Sportplatz und einem Spielplatz im Flamweg stehen sieben rostige, schiefe Stelen aus Stahl, die an die Synagoge erinnern.
"Meine Urgroßmutter Charlotte ist bestimmt häufiger hergekommen und hat einen Teil ihres Lebens an diesem Ort verbracht.
Es ist so wichtig, das hier zu kennen.
Es geht um Menschlichkeit" , sagt Alan Gordon, während er mit den Fingern über die Inschriften auf den rostbraunen Stelen fährt.
"Ohne Erinnerung sind wir nur wir selbst."

Charlotte Franck ist für Alan Gordon nicht nur eine Urgroßmutter auf Fotos und aus Erzählungen.
Als er sechs Jahre alt war, besuchte er sie in New York.
Der 70-Jährige lacht:
"Ein einziges Mal habe ich sie gesehen.
Es war meine allererste Flugreise.
Sie war eine alte, aber lebhafte Frau."

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Viele Familien wie zum Beispiel die Oppenheims hatten in Elmshorn Fabriken und Geschäfte.
Sie waren sehr angesehene Leute.
Im Dritten Reich wurden die Fabriken "arisiert", ein anderes Wort für staatlich legitimierten Raub.
Das alte Foto wurde zwischen den Weltkriegen aufgenommen.


Jahrzehnte später, nach Charlottes Tod, flog Gordon erneut nach New York zum Grab seiner Urgroßmutter.
"Ich habe dort mit ihr an ihrem Grab gesprochen.
Wo ein Grabstein ist, kann auch Kommunikation sein.
Der Stein bringt dich zurück in alte Zeiten.
Das habe ich während meiner Recherche gelernt."


Alter jüdischer Friedhof überstand die Nazi-Zeit
Zum Abschluss seines Besuchs in Elmshorn geht Gordon auf den Alten Jüdischen Friedhof in der Feldstraße.
Wie durch ein Wunder hat der Friedhof mit der kleinen Halle und den rund 160 Steinen die Nazi-Zeit überstanden.
Jahrzehntelang war dies der einzige Ort, der die Erinnerung an Juden in Elmshorn am Leben hielt.
In den vergangenen Jahren ließen die heutige, neue jüdische Gemeinde und viele Wohltäter die Grabsteine restaurieren.

"Ein merkwürdiges Gefühl", sagt Gordon auf dem Friedhof stehend.
"Da sind vielleicht 10 bis 20 Menschen hier, mit denen ich eine direkte Verbindung habe.
Ich kam mit Namen und Jahreszahlen und gehe mit einem viel größeren Bild.
Was auf der Straße war, welche Geschäfte es gab. Das ist meine Vergangenheit.
Das ist aufregend und berührt mich sehr."

Die sechs großen Fotokisten mit der alten Postkarte, die Alan Gordon von seiner Mutter geerbt hat, will der 70-Jährige später seinen Kindern vermachen - dann besser sortiert und mit vielen neuen Fotos und Anekdoten aus dem heutigen Elmshorn.

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Der Alte Jüdische Friedhof aus dem 17. Jahrhundert, auf dem alten Foto nach 1906 aufgenommen, hält die Erinnerung an die Elmshorner Juden wach und bildet eine Art zeitlichen Brückenschlag zur heutigen jüdischen Gemeinde.

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Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Fehmarn: Karl-Wilhelm Klahn, der Geschichten-Erzähler
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 03.08.2019 06:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... rn468.html

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position:
Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute".
So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren.
Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.


von Hauke Bülow

Schon als Kind mit acht Jahren ist Karl-Wilhelm Klahn mit seiner Fotokamera über die Ostseeinsel Fehmarn gezogen - immer auf der Suche nach spannenden Motiven.
Heute, mit fast 90 Jahren, ist das private Fotoarchiv des gebürtigen Fehmaraners prall gefüllt.
Jedes seiner Bilder erzählt eine Geschichte.
Einige davon hat Karl-Wilhelm Klahn uns verraten.


Die Warteschlange 1963 vor der Autofähre nach Rødby. Heute ist es bebauter.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !


Die Geschichte Fehmarns aufbewahrt in Pappboxen

In kleinen Pappboxen, fein säuberlich beschriftet, liegen sie - die Erinnerungen an ein spannendes Leben auf Fehmarn.
Karl-Wilhelm Klahn kommt kaum dazu, Luft zu holen, als er ein Foto nach dem nächsten aus den Schachteln holt.

Er hat so viel zu berichten.
Mit Zahlen und Daten kann er nur so um sich werfen.
Kein Wunder:
Jahrzehnte lang arbeitete der 89-Jährige als ehrenamtlicher Stadtarchivar im kleinen Türmchen des Burger Rathauses, wo das Stadtarchiv seinen Sitz hat.
Schon als 17-Jähriger half er seinem Lehrer Georg Laage im Archiv.
"Von ihm habe ich auch immer gute Zeugnisse bekommen", lacht Karl-Wilhelm Klahn.


Der Marktplatz in Burg Anfang des 20. Jahrhunderts - heute herrscht hier geschäftiges Treiben.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Ausbildung während des Zweiten Weltkriegs
Sein berufliches Leben hat Karl-Wilhelm Klahn auf dem Bahnhof verbracht, als Fahrdienstleiter bei der Eisenbahn.
An die Jahre 1944 und 1945 erinnert er sich noch gut.
Der Fehmaraner war noch Lehrling, als jeden Tag Züge voller Kriegs-Verwundeter im Bahnhof Burg eintrafen.
"Im März 1945 waren die Lazarette alle voll und unsere Schulen in Burg wurden zu Militärkrankenhäusern umfunktioniert.
Die Verwundeten kamen in einfachen Güterwagen an und wurden dann zum Teil mit Pferd und Wagen ins Krankenhaus und die Schulen gebracht."
Eine turbulente Zeit, erinnert sich Karl-Wilhelm Klahn.

Fast unverändert steht das 1901 neu gebaute Burger Rathaus heute noch am Markt.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Die Kamera immer dabei
Mit den Jahren wuchs bei Karl-Wilhelm Klahn nicht nur das Interesse an der Geschichte der Insel Fehmarn, sondern auch an der Fotografie.
Wenn auf der Insel etwas los war, dann war er immer mit dabei - die Kamera im Anschlag.
Und so finden sich im privaten Archiv unter anderem Fotos von der Eröffnung des Fährhafens Puttgarden im Mai 1963.
Karl-Wilhelm Klahn war vor Ort, als der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke mit seiner Entourage durch die Terminalbrücke schritt.

Der Bahnhofsvorplatz von Puttgarden am Tag der Vogelfluglinien-Eröffnung am 14. Mai 1963 - und heute.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Geschichten über Geschichten
"Das sind Aufnahmen, die kaum einer hat", freut sich der vierfache Vater über seine Fotos.
Recht dürfte er haben. Auch den Bau der Fehmarnsundbrücke Anfang der 1960er-Jahre verfolgte der Hobbyfotograf.
"Hier wird das letzte Stück geschlossen, was meinen Sie, was das für ein Fest hier auf Fehmarn war", erzählt er.
Bei einem anderen Foto fängt Karl-Wilhelm Klahn an zu grinsen.
"Mit diesem Schiff hier sind die Brückenarbeiter zu den Betonpfeilern gefahren worden - die brachten auch immer allerhand Alkohol mit“.


Der Brückenbau kommt gut voran. Nach nur drei Jahren Bauzeit wird die Fehmarnsundbrücke 1963 eröffnet. 56 Jahre später haben sich vor allem die Autos, die über die Brücke fahren, verändert.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

"Ich lebe nur in Erinnerungen"
Das private Archiv von Karl-Wilhelm Klahn, es platzt aus allen Nähten.
Sein Arbeitszimmer ist bis unter die Decke voll mit alten Aufnahmen. "Ich muss 200 Jahre alt werden, wenn ich die noch alle bearbeiten will", lacht der 89-Jährige.
Auch im Keller seines Hauses hat er noch viele Schätze verstaut.
Karl-Wilhelm Klahns Frau Traude lässt ihm sein Hobby und hat ihn immer unterstützt.
"Mein Mann hat sich immer für die Geschichte Fehmarns eingesetzt, er ist Fehmaraner durch und durch, er liebt die Insel sehr", erzählt Traude Klahn.
Aber auch sie ist offensichtlich nie zu kurz gekommen - seit 64 Jahren sind die beiden inzwischen glücklich verheiratet.
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Flensburgs Mittelalter-Kaufhaus steht noch immer
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 14.04.2018 07:00 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... g3780.html

TEXT-KOPIE:

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Werner Junge

Kaum eine Stadt im Norden hat den Zweiten Weltkrieg so "heil" überstanden wie Flensburg.
Bis heute ist das historische Wachsen in der Stadt an der Förde ablesbar:
der mittelalterliche Kern, der Aufstieg in der Rum- und Zuckerzeit - und schließlich die Gründerzeit, die auch Flensburg über die ehemaligen Stadtmauern hinaus die Fördehänge hoch ins Umland wachsen ließ.
Das alles ist in Flensburg dicht beieinander erhalten und erlebbar.


Die historische Impression aus dem 19. Jahrhundert zeigt den Schrangen - Flensburgs Kaufhaus des Mittelalters - in strahlendem Weiß.
Die getünchte Farbe galt als schicker als der Backstein.
Erst mit dem Aufkommen des Denkmalschutzes Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich das.
Der Schrangen wurde zwischen 1928 und 1935 wieder zur "Backsteinschönheit".

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie leicht vergleichen, wie Flensburg früher erstrahlte - und wie die Stadt heute aussieht.

Gebäude gehört der Kirche

Wer mit Stadtarchivar Broder Schwensen in alten Flensburg-Bildbänden sucht, findet deshalb viele Motive, bei denen der Früher-Heute-Vergleich leicht ist.
Allerdings auch solche, in denen Wachstum und Veränderung deutlich werden.
So der Blick auf das Südtor der Stadt, das schon 1872 abgerissen wurde.
Aber auch Wohlbekanntes überrascht.
Etwa das Bild des "Schrangen" am Nordermarkt aus dem 19. Jahrhundert.

Das Haus mit seiner prägenden breiten Arkade strahlte damals weiß. Heute entfaltet das Gebäude in der Innenstadt immer noch seine Pracht, aber es ist rot-gelb gemauert. Es gehört der Evangelischen Kirche, die darin unter anderem einen Veranstaltungssaal hat. Angefangen hat im Schrangen jedoch alles mit Brot und Fleisch.
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Die von der Achse zwischen Südermarkt und Nordertor vor allem zur Förde abgehenden großen Höfe sind typisch für Flensburg.
Ende der 1970-er Jahre wurden die Flensburger sich dieses Schatzes bewusst.
So scheint auch im Hof Norderstraße 22 die Zeit stehen geblieben zu sein.
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Höfe noch für Handel und Handwerk bestimmt.
Heute wohnt man dort schön in der Altstadt.

Angebot im Schrangen begrenzt
Die Menschen im Mittelalter gingen auf den Markt.
Dort konnten sie Nahrung und Güter des täglichen Gebrauchs erwerben oder tauschen.
Was es dort nicht gab, wurde aus der Werkstatt direkt beim Hersteller, also Handwerker, bestellt.
Läden kamen erst im 19. Jahrhundert auf.

Einzige Ausnahme nicht nur in Flensburg:
die Schrangen. Die Lesart, es seien die Kaufhäuser des Mittelalters, findet Stadtarchivar Schwensen zwar bildhaft, jedoch nur annähernd richtig.
Schwensen weist darauf hin:
Anders als später im Kaufhaus war das Angebot der Schrangen begrenzt und streng reguliert.
Sie dienten dazu, Brot und Fleisch zentral anzubieten - und zwar nur dort.


Blick von Westen über die Flensburger Förde nach Jürgensby.
Die mittelalterliche Stadt ist schon in der frühen Kaiserzeit über die Stadtmauern hinausgewachsen, die Gründerzeit lässt grüßen.
Die Hänge hoch und oben auf der Kante stehen schon wilhelminische Neubauten.
Sie sind noch heute da, das Ufer ist aber dichter bebaut und auch das Ostufer mit Spundwänden und Beton gezähmt.

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Gehandelt wurde nur im Freien
Der Schrangen am Nordertor ist der letzte erhaltene in Schleswig-Holstein.
Der Bau war 1592 beschlossen worden.
Drei Jahre später war das mächtige Backsteinhaus mit seiner breiten, offenen Arkade zur Straße fertig.
Gehandelt wurde nur im Freien unter der Arkade.
Fleisch und Brot lagen auf hohen Bänken - den sogenannten Schrangen, die dem Gebäude seinen Namen gaben.
Erst mussten die Knochenhauer genannten Schlachter und die Bäcker dort ihre Ware anbieten.
Die Preise waren strikt reguliert.
Hohe Rippchen kosteten bei jedem Knochenhauer dasselbe. Das galt auch für die Brotlaibe der Bäcker.


Doch schon kurz nachdem der Schrangen in Betrieb war, begann in Flensburg der Wandel.
Nur zehn Jahre waren die Bäcker "schrangenpflichtig".
Schon von 1605 an verkauften sie direkt aus ihren Backstuben oder auf dem Markt.
Die Fleischer blieben noch bis Ende des 18. Jahrhunderts an den Schrangen gebunden.
Die hohen und strikten Auflagen und Vorschriften lockerten sich jedoch zusehends.

Schlichtes Weiß gilt als prächtig
Der Schrangen am Flensburger Nordermarkt war als repräsentatives Backsteingebäude ausgeführt.
Große rote und gelbe Steine strukturierten und schmückten das Gebäude.
Mit dem aufkommenden Pietismus im 18. Jahrhundert und schließlich dem Klassizismus galt das nicht mehr als schön.
In den Kirchen wurden die reich bemalten Innenräume gekalkt, bald sollte auch in der Stadt die schlichte Pracht des Weißen dominieren.
Deshalb wurde das prächtige Mauerwerk des Schrangens am Flensburger Nordermarkt gekalkt.

Mühsam abgekratzt und abgewaschen wurde das Gebäude erst wieder am Ende des 19. Jahrhunderts.
Dafür sorgte nun der neue Denkmalschutz und die damit einhergehende Euphorie für das (erst) originale und dann (auch) nachgebaute Mittelalter.
Der Denkmalschutz sorgte im Übrigen auch dafür, dass Flensburg noch heute sein Nordertor hat.
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An dieses Bild vom Nordertor erinnern sich selbst viele ältere Flensburger nicht mehr.
Die ans Tor angebauten Häuser wichen Ende des 19. Jahrhunderts einem etwas abgesetzten Sparkassengebäude.
Erst als die Phänomenta vor einigen Jahren wieder direkt an das 1595 vollendete Nordertor baute, war die alte Bausituation wieder da - die Aufregung in Flensburg darüber groß.

Erste "Läden" im 19. Jahrhundert
In Flensburg gab es zwei Schrangen - der zweite stand auf dem Südermarkt.
Allerdings nicht als solider, fester Bau, sondern als eine eher große Marktbude mit übrigens durchaus wechselnden Standorten.
Deshalb ist der Schrangen auf dem Nordermarkt der letzte verbliebene im nördlichsten Bundesland.
In Lübeck erinnert nur noch der Straßenname "Am Schrangen" an das "Kaufhaus des Mittellalters".

Eine historische Aufnahme eines Ladens in Flensburg. © Stadtarchiv Flensburg
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Heinrich Lorenzen - genannt "Hein Amerika" - in den 1920-er Jahren vor seinem Kellergeschäft.
Noch fehlen Schaufenster.
Was Hein bietet, ist bei gutem Wetter vor dem Laden zu sehen.
Bis ins 19. Jahrhundert dauerte es, bevor es die ersten "Läden" gab.
Noch nicht solche mit großen Schaufenstern, wie noch bis nach dem Ersten Weltkrieg der Laden von Heinrich Lorenzen in der Angelburger Straße in Flensburg zeigt.
Draußen vor der Kellertür von Lorenzen hingen Kälberstricke und Petroleumlampen, lehnten Forken, Rechen und weiteres Gerät an der Wand und standen Körbe vor dem Laden.
Der aus Angeln anreisende Landbewohner sah:
bei "Hein Amerika" gab es, was er für Haus und Hof brauchte.


Ausflüge mit dem Dampfer waren lange das Vergnügen der Flensburger.
Die opulente Dampferbrücke war bis zu ihrem endgültigen Abriss 1936 ein beliebtes Ziel.
Heute ist die Brücke weg.
An gleicher Stelle - allerdings ohne die wilhelminisch verspielte Brücke - liegt immer noch der 1908 gebaute Salondampfer "Alexandra".
Er startet von dort zur Fördefahrt.

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Automaten-Restaurant setzt sich nicht durch
Schaufenster mit Auslagen, Reklame und allem, was in unseren Augen heute zu einem Laden gehört, kamen auch in Flensburg erst in der Zeit der Industrialisierung an.
Nun aber mit Macht.
An der großen Straße 18 gab es von 1907 an sogar nach amerikanischem Vorbild ein Automaten-Restaurant.
Allerdings hat es sich - zumindest damals - nicht durchgesetzt.
Nach nur drei Jahren musste es schließen.


Eine historische Aufnahme eines Automaten-Restaurants in Flensburg. © Dänisches Archiv
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Ein Automatenrestaurant in Flensburg:
1907 die Sensation, drei Jahre später aber schon wieder eingestellt.
Doch mit der Gründerzeit im jungen deutschen Kaiserreich explodierte die industrielle Produktion.
Dinge des täglichen Bedarfs wurden nicht mehr vom Handwerker nebenan gefertigt.
Sie kamen aus der Fabrik, hergestellt in Massen, mit der Bahn bis in den letzten Winkel des Deutschen Reiches verteilt.

Die seit 1902 von Nier im Erzgebirge produzierte "Feuerhand Sturmlaterne" draußen am Laden von "Hein Amerika" zeigt schön den Übergang:
Die in Massen industriell gefertigte Lampe hängt neben hölzernen Heuharken und Mistgabeln, die noch vom Stellmacher beziehungsweise dem Schmied nebenan kommen.

Den Südermarkt erreichte man bis 1872 durch das Rote Tor.
Dahinter lag und liegt die Rote Straße.
Aus der gerade auf die Stadt zuführenden Straße ist am Neumarkt ein großer Verkehrsknotenpunkt geworden.
Nur der Gasthof vorne und St. Nicolai - mit neuem Turm - bieten dem Auge bis heute Anhaltspunkte.

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Flensburg hat Deutschlands ersten ZOB
Gerade weil Flensburg den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt überstanden hat, lässt sich dort deutlich ablesen, wie stark vor allem das Auto die Stadt verändert hat.
Deutlich wird das zwischen Bahndamm und Altstadt.
In der Kaiserzeit entstand dort der Bahnhof.
Ende der 1920-er Jahre wurde der neue Bahnhof angelegt, der alte im Herzen der Altstadt wechselte seine Funktion:
Nun war es der "Gummibahnhof".


Nicht zuletzt durch die 1920 neu gezogene Grenze zu Dänemark setzten Flensburg und sein Umland nun vor allem auf Omnibusse.
1931 begann offiziell der Betrieb auf Deutschlands erstem "Zentralen Omnibusbahnhof".
Gewartet und Fahrkarten gelöst wurde aber weiterhin im alten Bahnhofsgebäude.
Das Backsteingemäuer ersetzte von 1953 an der neue ZOB mit kreisrundem Café mit Aussicht auf den brausenden Verkehr. 1997/98 schließlich entstand der heutige ZOB.

Nun läuft der Verkehr nicht mehr durch die inzwischen als Fußgängerzone erschlossene Hauptachse von der großen Straße bis zum Holm, vom Süder- zum Nordermarkt.
Auch die Straßenbahn hat ausgedient.
Der Verkehr fließt nun hinter den Höfen der Altstadt über mehrspurige Pisten parallel zum Damm der Hafenbahn.

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Die gelben Postbusse nahmen früher auch Briefe mit und Pakete an.
Zwischen Gebäude und Bahndamm gab es nach dem Bau des "neuen" ZOB 1953 noch Park- und Spazierraum.
Heute läuft auf derselben Fläche sechsspurig der Verkehr.
Den heutigen ZOB gibt es in seiner Form seit 1986.

Hinweis der Redaktion:
In einer früheren Version hieß es, der heutige ZOB sei 1986 entstanden.
Korrekt ist aber 1997/98. Die Redaktion bittet für diesen Fehler um Entschuldigung.
Stand: 16.04.2018 10:34 Uhr

Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

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Friedrichstadt ist mehr als nur 400 Jahre Stadtgeschichte
Ein NDR-Geschichte-Beitrag, Stand: 29.08.2020 06:00 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... dt206.html

diverses 002 (2).jpg
diverses 002 (2).jpg (187.48 KiB) 4801 mal betrachtet
TEXT-KOPIE:

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Sven Jachmann

Sechs Jahre wohnen Doreen und Jan Stümpel mittlerweile in Friedrichstadt im Fünfgiebelhaus. "Mitten auf der Straße erhielten wir damals die Zusage von der Bürgermeisterin persönlich", erinnert sie sich noch an den Moment der Entscheidung. Das historische Gebäude gehört der Stadt. Die Stadtvertreter wollten, dass es ein offenes Haus bleibt. Sie entschieden schließlich, dass der Keramikladen der Stümpels als Geschäft gut in das rund 400 Jahre alte Gebäude passt. Stadtgründer Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorf hatte das Fünfgiebelhaus am Fürstenburgwall bauen lassen.

Die Häuser am Marktplatz von Friedrichstadt bilden die größte zusammenhängende Reihe mit Gebäuden aus der Gründerzeit. Charakteristisch sind die Treppengiebel der Häuser.

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Keramik und Bücher: Der Mix macht’s
Das Haus veränderte sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr. Das Haus bekam eine neue Fassade, drei Wohnungen wurden rein- und wieder rausgebaut. Dann war es ein Museum, danach eine Galerie. Nun sind hier Bücher und Keramiken zu Hause. Doreen Stümpel macht regelmäßig Führungen durch ihre Werkstatt. Außerdem wohnt die Familie in dem Haus. Kaum eingezogen, erfuhren sie, dass der einzige Buchhändler der Stadt altersbedingt seinen Buchladen schließt.

Eine Kleinstadt ohne Bücher? Das ging für Doreen Stümpel überhaupt nicht. "Wir hatten gesagt, dann machen wir das selbst." Der Buchhändler unterstützte sie dabei. Es ging auf das Weihnachtsgeschäft zu. "Und die Kunden in der Stadt sollten bloß nicht auf die Idee kommen, woanders ihre Bücher zu kaufen", lacht sie. Ihr Mann ist Bücherliebhaber und kennt sich in der Literatur aus. "Da haben wir es einfach gewagt. Die Räume geben es ja her."

Blick von der Ostseite der Straße "Am Markt" in die Prinzesstraße. Hinten links die Remonstrantenkirche. Remonstranten bildeten in Friedrichstadt eine niederländische Religionsgemeinschaft. Es waren überwiegend wohlhabende Händler. Sie haben die Kirche 1624 gebaut. 1850 wurde sie zerstört und bis 1854 wieder aufgebaut.

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Männer schauen Bücher, Frauen Keramik
Die Aufteilung ist klar: Doreen Stümpel sitzt im Obergeschoss an der Drehscheibe und bearbeitet Ton. Ihr Mann verkauft im Erdgeschoss Bücher. "Seitdem kommen mehr Männer. Die gucken Bücher und die Frauen Keramik." Sehr beliebt bei den Kunden sind ihre Wunschbecher. Das sind Becher auf denen Glück, Liebe oder Freude stehen. "Ich komme mit der Produktion kaum hinterher", erzählt sie. Das liege an den vielen Touristen, die dieses Jahr in die Stadt gekommen sind. Mehr als je zuvor. "Wegen Corona machen viele hier Urlaub. Wenn nur ein Teil von denen wiederkommt, das wäre schon toll", hofft sie.

Blick auf das Fünfgiebelhaus (weiß) - eins der berühmtesten Gebäude der Stadt. Stadtgründer Herzog Friedrich III von Schleswig-Gottorf hatte es 1621 bauen lassen. Heute das Zuhause von Doreen Stümpel und ihrer Familie. Sie betreibt hier ihre Keramikwerkstatt, ihr Mann führt hier einen Buchhandel.

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Von Rügen über Greifswald nach Friedrichstadt

Doreen Stümpel kommt aus Rügen und hat dort Kerammalerin gelernt. Als sie kurz vor dem Abitur im Schulbus sitzt, hört sie im Radio, wie eine Frau eine gute Malerin für eine Ausbildung zur Kerammalerin sucht. Noch am selben Tag hat die Abiturientin ihre Mappe mit selbst gemalten Bildern bei der Frau abgegeben und bekam den Ausbildungsplatz. "Für 180 Mark im Monat. Nebenbei malte ich im Auftrag Bilder. So kam ich finanziell gut hin." Nach der Ausbildung hing Doreen Stümpel ein Kunst- und Philosophiestudium in Greifswald dran. Lernte dort ihren heutigen Mann Jan kennen. Beide machten sich in Greifswald mit einem Keramikladen selbständig.

Das Doppelgiebelhaus in der Prinzenstraße wurde 1624 gebaut - und ist somit das älteste Geschäftshaus der Stadt. Weil die Fassade einsturzgefährdet war und sich zur Straße neigte, musste es in den 1980er-Jahren restauriert werden. Heute werden hier Stoffe verkauft, aber auch Taschen, Kleidung und Accessoires.

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Den Rufen der Großeltern gefolgt
Als aber das erste Kind unterwegs war, folgte der Wendepunkt in ihrem Leben, der sie nach Friedrichstadt bringen sollte. "Wir brauchten eine größere Wohnung. Aber derartige Wohnungen waren damals schon in Greifswald zu teuer", erklärt sie. Sie schauten sich lange um, sie wollten unbedingt im Norden bleiben. Da meldeten sich die Großeltern aus Seeth bei Friedrichstadt. Sie hätten genug Platz und könnten auf das Kind mit aufpassen.

Plötzlich geht da was
So kam die Familie 2007 zum ersten Mal nach Friedrichstadt. "Wir dachten spontan: da einen Laden, das wäre ja toll. Wir waren sicher, dass das hier funktionieren würde - so hübsch, wie das hier ist", erzählt Doreen Stümpel. Ihren ersten Laden bezogen sie Am Fürstenburgwall. Nebenan war eine Galerie. Mit den Besitzern freundeten sie sich an. "Die saßen abends oft vor ihrer Haustür. Da erzählten sie uns plötzlich, dass sie ausziehen werden und fragten uns, ob wir nicht in das Haus wollten", erinnert sich Doreen Stümpel. Sie zogen es zunächst nicht wirklich ernsthaft in Erwägung. Bis die Galeristen auszogen und die Bürgermeisterin auf sie zu kam.

Blick in die Prinzesstraße - vor rund 100 Jahren und heute. Rechts ragt der Turm der Remonstrantenkirche über die Dächer. Seit 2006 befindet sich in dem rotgeklinkerten Dreigiebelhaus (r.) eine Schmuckwerkstatt.

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Heimat für Individualisten
In den vergangenen 13 Jahren hätte sich Friedrichstadt sehr positiv entwickelt. "Die Stadt wird immer schöner", schwärmt sie. Das läge auch an den Restaurants, die immer dichter ans Wasser ziehen. Heute gebe es mehr Plätze am Wasser als früher. Außerdem wurden viele Häuser saniert. Friedrichstadt wird auch immer mehr zur Heimat für Individualisten, Musiker und Künstler. Auch für Doreen und Jan Stümpel und ihren drei Kindern, die inzwischen 15, 13 und 11 Jahre alt sind, ist der Ort zur Heimat geworden.

Hausmarken - eine große Tradition in der Stadt
Die gebürtige Rüganerin fertigt mittlerweile nicht nur Keramiken und Wunschbecher. Inzwischen gehören auch Hausmarken zu ihrem Repertoire. Hausmarken befinden sich meistens unter dem Giebel der Häuser. Das sind kleine Bilder. Sie ersetzten früher die Hausnummern. Die Hausmarken haben eine große Tradition in der Stadt, sind teilweise über 100 Jahre alt und heute noch oder wieder an den Häusern zu sehen. Sie stehen für den Beruf des Bewohners oder für eine Leidenschaft. Acht dieser Hauswand-Bilder hat sie bereits gefertigt. Darunter ein Schild mit einem Sextanten für einen Seemann.

SIEHE AUCH HIER HINEIN:
viewtopic.php?t=220

Alles richtig gemacht
"Ich verewige mich in der Stadt, das ist toll." Momentan arbeitet Doreen Stümpel an einem Elch, weil die Besitzer totale Schwedenfans sind. Vor wenigen Wochen hatte sie überraschend Besuch bekommen. Von der Frau damals aus dem Radio, ihre Ausbilderin auf Rügen. "Sie war schon stolz, das hier zu sehen. 'Das hast Du genau richtig gemacht', hat sie gesagt."
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Mehr über Friedrichstadt erfährt man hier:
viewforum.php?f=48
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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frische Luft
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Als in Heide gehandelt, getötet und diskutiert wurde
Ein NDR-Geschichte-Beitrag, Stand: 22.08.2020 06:00 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... de714.html

heide718_v-contentgross.jpg
heide718_v-contentgross.jpg (40.15 KiB) 4632 mal betrachtet
Bild und TEXT-KOPIE:

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Katharina Kücke

Die Stadtführung beginnt vor der St.-Jürgen-Kirche in Heide, direkt neben dem Marktplatz.
Hier war im Mittelalter das Zentrum einer Republik - der Bauernrepublik Dithmarschen.
"Das kann man mit Europa vergleichen", erzählt Stadtführer Bernhard von Oberg.
Die einzelnen Bezirke, erklärt er, wurden von Kirchspielen - also Kirchengemeinden - verwaltet, die selbstständig verhandelt haben.


Seit mehr als 500 Jahren findet auf dem Heider Marktplatz jede Woche ein Markt statt - heutzutage am Sonnabend. Das alte Foto ist 1902 entstanden, im Hintergrund ist die St.-Jürgen-Kirche zu sehen.
BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Grundstein für Heide wird 1434 gelegt
Wenn es Streit gab, beispielsweise mit Hamburg, habe das die anderen Kirchspiele - auch Döfften genannt - nicht interessiert. Sie waren ziemlich autark. Dennoch beschlossen die fünf Kirchspiele Überlieferungen zufolge, 1434 auf der freien Fläche - der Heide - zwischen den Dörfern eine Kapelle und einen Versammlungsort zu errichten.
Hier wurde der Grundstein für Heide gelegt.

Die Heider Einkaufsmeile Friedrichstraße um 1905. Sie führt direkt zur St-Jürgen-Kirche und zum Marktplatz und ist auch heute noch beliebt.
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Stadtführung in traditioneller Kluft
Stadtführer Bernhard von Oberg blickt in die Kamera. Foto: Katharina Kücke
BILD befindet sich im o.g. Link !

Stadtführer Bernhard von Oberg kommt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet.
Die Stadtführung verläuft einmal ringsherum um die Kirche. Bernhard von Oberg kommt in traditioneller Kluft. Das gehört für ihn dazu. Seine Kleidung ist angelehnt an die mittelalterliche Volkstracht der Dithmarscher. Er trägt ein blaues Gewand mit einem Band als Gürtel, eine große Mütze und eine knöchellange Leinenhose. "Nur die Haare waren damals länger", schmunzelt er.

Von Oberg gräbt alte Geschichten aus
Von Oberg war jahrelang Pressesprecher vom Kreis Dithmarschen in Heide und ist seit etwa fünf Jahren im Ruhestand - oder auch Unruhestand, wie er selbst sagt. Er kommt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, lebt aber seit über 30 Jahren in Heide und gräbt gerne alte Geschichten aus, die in Vergessenheit geraten sind.

Die Anlage am Wulf-Isebrand-Platz mit dem Gebäude der "Dithmarscher Landeszeitung" im Jahr 1957. Die Redaktion ist auch heute noch in demselben Haus beheimatet.
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Heides Wunder vom Dachdecker
Dass die Dithmarscher einst ziemlich religiös waren, zeigt eine Aufzeichnung des Chronisten Neocorus, den von Oberg gerne zitiert. Neocorus war Pastor in Wöhrden und Büsum und hat im 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts gelebt.
In einer Schrift erinnert er an das Wunder von Heide.
Es handelt von einem Dachdecker, der beinahe vom Kirchturm gefallen wäre.

Der Wasserturm gilt als Wahrzeichen von Heide.
Er wurde 1903 errichtet, um die Stadt mit Wasser zu versorgen. Das Foto von der alten Österweide-Anlage ist im Jahr 1926 entstanden.
Heute dient das Turmzimmer für Trauungen.
Siehe auch hier hinein: viewtopic.php?t=62

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Eine Wolke und ein Kreuz erscheinen
Die Geschichte dazu:
Als die Bauernrepublik 1559 ihre Unabhängigkeit verliert, brennt die St.-Jürgen-Kapelle vollständig ab.
Als ein Dachdecker 1611 an der neu errichteten Spitze des Turms arbeitet, neigt sich der Turm plötzlich zur Seite.
Siehe auch hier hinein: viewtopic.php?p=448#p448


Die Heider, die sich auf dem Marktplatz befinden, beobachten das Geschehen und bangen um ihn.
Doch dann, so überliefert es Neocorus, erscheint eine Wolke über dem Dachdecker und ein Kreuz ist zu sehen.
"Und alle sangen fromme Lieder und wir hatten ein Wunder", zitiert von Oberg.


Seit 1877 hat Heide einen Bahnhof.
Er hat die Stadt mit Tönning, Husum, Neumünster und Meldorf verbunden, später auch mit Hamburg.
Auf dem Foto von 1915 ist das alte Bahnhofsgebäude zu sehen, das 2011 abgerissen wurde.
Heute befindet sich hier eine kleine Bahnhofsinsel.

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Heides Marktplatz ist 4,7 Hektar groß
Die St.-Jürgen-Kirche liegt direkt neben dem größten Marktplatz Deutschlands. Mit 4,7 Hektar ist der Platz auch heute noch der größte unbebaute Marktplatz in der Bundesrepublik - nur Freudenstadt in Baden-Württemberg macht Konkurrenz.
Siehe auch hier hinein: viewtopic.php?p=71#p71

Einkaufen ging einst nur am Wochenende
Im Mittelalter war der Platz an Markttagen immer voll. Man brauchte den Platz. Und es gab feste Orte für bestimmte Waren. "An der Ostseite standen die Ochsen", erzählt von Oberg. Und heute nur schwer vorstellbar:
Einkaufen ging damals nur am Wochenende.

Von 1905 bis 1938 gab es nördlich vom Bahnhof Heide noch einen Kleinbahnhof. Eine Dampflok fuhr von hier aus nach Osten und schloss so die Gemeinden östlich von Heide an das Bahnnetz an. Das alte Foto ist 1927 entstanden. Heute wird das Gebäude unter anderem als Musikschule und Jugendzentrum genutzt.
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Für viele Bauern war der Sonntag der einzige Tag in der Woche, an dem sie Zeit für den Einkauf hatten.
Dafür nahmen einige sogar einen weiten Weg auf sich, wie von Oberg einem alten Briefwechsel entnimmt.


Als für 14- bis 60-Jährige die Wehrpflicht galt
Der Marktplatz hatte auch einen anderen Zweck: Hier wurden Piraten hingerichtet und er diente als Aufmarschplatz für das Militär. Noch heute legen viele Soldaten auf dem Platz ihr Gelöbnis ab.

Dithmarschen war vom 12. bis zum 15. Jahrhundert in fünf Wehrbezirke eingeteilt.
Alle Dithmarscher Männer im Alter von 14 bis 60 Jahren waren wehrpflichtig.
"Bis zu dem Zeitpunkt, wo sie mit dem Krückstock in die Kirche kamen", erzählt der Stadtführer.


Die Marktstraße am Marktplatz um 1953. Mittlerweile ist die Straße eine Verlängerung der Friedrichstraße und es gibt ein Restaurant.
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Heide war beliebt: Zehn Jahre Friedhof mussten reichen
Zwischen Markt und Kirche gab es ab dem 16. Jahrhundert auch noch einen Friedhof. Heide war damals derart beliebt, dass die Liegezeit auf dem Friedhof auf der Rückseite der Kirche auf zehn Jahre verkürzt wurde. Zum Vergleich: In Wesselburen lag sie bei 40 Jahren.

Georgsbrunnen zeigt alle Ereignisse
Normalerweise steigt Bernhard von Oberg mit der Führung auf das Dach des Rathauses und auf den Wasserturm: "Von hier hat man einen tollen Blick über die Stadt." Das geht wegen Corona momentan aber leider nicht. Deswegen zeigt er anhand eines Brunnens in der Nähe der Kirche die Geschichte auf.

Der Georgsbrunnen sei der berühmteste Brunnen in Heide, erzählt von Oberg. Er wurde 1989 von dem Bildhauer Siegfried Assmann angefertigt. Auf dem Brunnen sind alle wichtigen Ereignisse rund um Heide zu sehen.

Die Stadtbrücke gibt es erst seit 1974. Sie wurde mit einem Umzug eingeweiht und verläuft oberhalb der Bahnschienen.BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Die Eggen erinnern noch heute an die Kultur
Die Skulptur erinnert auch an die Eggen. Das waren bis zur Verleihung der Stadtrechte am 7. Juli 1870 Teilgemeinden, die auch heute noch existieren, allerdings nicht mehr selbst verwalten, sondern an die Kultur erinnern.

In Heide gibt es drei Eggen:
Die Norder-, die Süder- und die Österegge. Die Westeregge gab es nur kurze Zeit.
Auch heute noch erinnern die Eggen an Zusammenhalt und bewahren die plattdeutsche Sprache.

Siehe auch hier hinein: viewtopic.php?p=420#p420


Das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr im März 1955. Heute wird das Gebäude als Bürgerhaus genutzt. (Quelle der historischen Fotos: Stadtarchiv Heide)
BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Corona bremst auch den Stadtführer aus
Momentan finden fast gar keine Stadtführungen statt, sonst immer am Mittwochnachmittag und Sonderführungen am Wochenende. "Aber die Stadt läuft ja nicht weg", gibt sich Bernhard von Oberg optimistisch.

Er hofft, dass es im nächsten Jahr wieder richtig voll wird. Bis dahin hat er sicherlich wieder die ein oder andere Geschichte gefunden, die vor ihm schon lange keiner mehr erzählt hat.
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »


TEXT-KOPIE:

Henstedt-Ulzburg: Von der Zollstelle zum Speckgürtel
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 15.09.2018 05:00 Uhr
Quelle:https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... rg164.html


Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Maja Bahtijarević

Mit einer großen Lupe betrachtet Volkmar Zelck ein Bild aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die schwarz-weiße Fotografie zeigt eine Gruppe Kinder und Jugendlicher in altertümlicher Kleidung, die auf dem vereisten Dorfteich Wöddel in der Mitte Henstedts stehen. "Das muss nach 1912 sein, da stand die Schule ja schon", sagt er. Sein Büro hat der Archivar Henstedt-Ulzburgs im Rathaus im Ortsteil Ulzburg. "Wir nennen uns gerne 'das größte Dorf Schleswig-Holsteins’ - wobei, das stimmt so ja auch." Nördlich von Hamburg gelegen, entstand die Gemeinde mit heute etwa 28.000 Einwohnern durch eine Reform 1970 als Zusammenschluss Henstedts, Ulzburgs und Götzbergs. Mit der Zeit gibt es zwei Teile mehr, Henstedt-Rhen und Ulzburg-Süd. "Als wir vor ein paar Jahren einen Bürgerentscheid hatten, ob wir zur Stadt werden sollen, hat der Großteil dagegen gestimmt", erinnert sich Zelck.

BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Die Hamburger Straße liegt im Herzen Ulzburgs. Entlang der als Heeresstraße entstandenen Handelstangente ist der Ort entlanggewachsen. Heute liegt dort das Verwaltungszentrum Henstedt-Ulzburgs. (Mit dem Schieberegler auf diesem und den weiteren Bildern können Sie das Henstedt-Ulzburg von früher und heute vergleichen. Verschieben Sie den Regler einfach mit der Maus oder dem Finger auf Smartphone und Tablet.)

Henstedt-Ulzburger gegen den Stadttitel
Einer, der 2013 auf dem Stimmzettel mit voller Überzeugung das 'Nein’ angekreuzt hatte, ist Johann Schümann. "Gott sei dank ist der Bürgerentscheid positiv ausgegangen", sagt der 79-Jährige, "also positiv für mich - weil ich nie 'Stadt’ werden wollte." Es sei ein Alleinstellungsmerkmal des Ortes, das findet er gut. Er mag das Dörfliche, findet es schön, dass sich die Ortsteile so sehr voneinander unterscheiden - während Henstedt "rundgewachsen" ist um den Wöddel, ist Ulzburg seit seiner langjährigen Funktion als Zollstelle im ersten Jahrtausend immer ein Straßendorf gewesen. Götzberg bliebe sich als kleines Bauerndorf bis heute treu, meint Schümann. "Wir sind einfach eine Gemeinde und keine Stadt", sagt er und zuckt mit den Achseln, als gäbe es daran nichts zu rütteln.

BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Ulzburg war seit dem Mittelalter eine Zollstelle auf der Heeresstraße von Dänemark in Richtung Süden. Viele Handelsleute bevorzugten sie im Gegensatz zur Zollstelle in Wedel, da sie geringere Abgaben forderte.

Reform: Größere Verwaltungseinheiten entstehen
Bei der Gemeindereform ging es darum, größere Verwaltungseinheiten zu bilden. Archivar Zelck sagt, damit habe sich die Region auch dagegen stellen wollen, "dass sich Hamburg ausbreitet wie ein Pfannkuchen in der Pfanne und alles drumherum schluckt." Johann Schümann war damals Vorsitzender der Bürgervertretung und stellvertretender Bürgervorsteher. "Früher gab es ja noch zwischen Henstedt und Ulzburg Zoff, wie das in vielen Gemeinden war", erinnert er sich. Wer bisher - mindestens auf dem Sportplatz - gegeneinander wetteiferte, sollte jetzt zusammenwachsen? Damals schwer vorstellbar für viele Einwohner, auch die eigenen Sportvereine bleiben so vorerst bestehen. Teilweise würde man das heute auch noch haben, dass man sich nur seinem Ortsteil zugehörig fühlt, erzählen manche Henstedt-Ulzburger - einerseits aus Überzeugung, andererseits, weil der Alltag und das persönliche Umfeld einen gar nicht erst in die anderen Ortsteile führt. Schümann hat aber nie ein Gegeneinander empfunden. "Ich bin überzeugter Henstedt-Ulzburger, auch wenn ich in Henstedt lebe und dort großgeworden bin."

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Der Dorfteich Wöddel ist das Zentrum Henstedts. Der Ort war damals entstanden, als sich mehr als ein Dutzend Bauernhöfe drumherum ansiedelten. Die sogenannten Hufner, also die damaligen Großbauern, bildeten den Rat des Dorfes und trafen Entscheidungen.

Die Hamburger kommen
Es geht um Identität in Henstedt-Ulzburg. Und neben dem Zusammenschluss zur Großgemeinde übt auch die Nähe zu Hamburg einen großen Einfluss darauf aus: Denn während der Wohnraum in den 60er Jahren in der Hansestadt immer weniger und teurer wird, schwärmen die Menschen ins Umland - in den sogenannten Hamburger Speckgürtel. Innerhalb kürzester Zeit entstehen Hochbauten, die AKN-Routen werden zu den wichtigsten Pendlerverbindungen, kurzzeitig soll sogar der Hamburger Flughafen in die unmittelbare Nähe ziehen. Henstedt-Ulzburg wird die am schnellsten wachsende Gemeinde in Schleswig-Holstein. Während sie 1970 noch etwa 9.500 Bewohner zählte, sind es jetzt mehr als 10.000 mehr. So, erzählt Archivar Zelck, siedeln sich in den 60ern und 70ern vor allem junge Familien in der Großgemeinde an, die ihre Arbeit, ihre Freunde und ihre Familie noch in Hamburg haben - und sie auch behalten. Lange bleibt eine starke emotionale und berufliche Bindung zur Großstadt bestehen.

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Das Gasthaus Scheelke beherbergte Anfang des 20. Jahrhunderts die Arbeiter, die die Bahnstrecke Elmshorn-Bad Oldesloe bauten. Später war es das Gebäude mit einer der ersten Kegelbahnen im gesamten Kreis.

Oft sind die Erwartungen der Zugezogenen zu groß
Der Soziologe Marcus Menzel hat zu dem Thema ein Buch herausgegeben: "Leben in Suburbia" - ein Werk, in dem er unter anderem die Bewohner Henstedt-Ulzburgs betrachtet. So wird stellvertretend für ein prägendes Lebensgefühl ein Herr Müller zitiert: "Henstedt-Ulzburg ist ein Ort, in dem man gut wohnen kann, der allerdings ein geringes Prestige besitzt. Also, das kann man eigentlich niemandem erzählen, dass man in Henstedt-Ulzburg wohnt", lautet die nüchterne Einschätzung des Architekten, der - wie Menzel erläutert - stark an die anliegende Hansestadt orientiert ist. "Für einen Hamburger ist das völlig indiskutabel. Das ist mega-out." Ein hartes Urteil, das Müller trifft. Es wird dem Ort nur bedingt gerecht, und zwar, wenn man zu viel erwartet. Der Ort ist in kurzer Zeit enorm gewachsen, hatte keine Möglichkeit, sich über Jahrzehnte gemächlich zu formen. Doch es gibt auch viele Gegengewichte zu Architekt Müller - zum Beispiel die Kruses, die gerne zu Henstedt-Ulzburgern wurden.

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Der kleinste Teil Henstedt-Ulzburgs ist Götzberg: Ursprünglich als Bauerndorf gegründet, hat es noch heute eine ähnliche Struktur und soll sie auch beibehalten. Dort leben heute noch nur ein paar Hundert Menschen.

Mit eigener Muskelkraft das Haus gebaut
Dass es Günther Kruse und seine Frau Annegret Anfang der 70er nach Henstedt-Ulzburg zieht, geschieht durch eine Anzeige in einer Hamburger Tageszeitung. "Es sollte eine Wiese in Henstedt erschlossen werden", erinnert sich Kruse, der als Verwaltungsangestellter in der Hansestadt arbeitet. "Damals gab es in Hamburg eine Wohnraumknappheit, genau wie heute." Schon früh fühlen sie sich in Henstedt-Ulzburg wohl. "Es gab damals eine ganz starke Gemeinschaft. Brauchte man eine Schraube, hatte sie der Nachbar - oder Paul Giese." Giese war einer der kleinen Läden um den Wöddel, die es damals gab, bevor die großen Filialisten die kleinen Einzelhändler vertrieben. Bei Giese, beim Bäcker, beim Milchmann traf man sich, tauschte sich aus, lebte die Gesellschaft.

Viel Geld zum Bauen hatte das junge Ehepaar nicht - so wie viele zu der Zeit. Alles machen die Kruses mit Hilfe von Bekannten selbst, die Handwerker kommen nur für den Dachstuhl auf die Baustelle. "Da galt es mit der Muskelhypothek zu arbeiten", witzelt Kruse und lacht. Dem Eifer folgt Erfolg: Nach nur anderthalb Jahren - und unzähligen Arbeitsstunden - können sie in ihr Haus einziehen. "Wir haben in die Hände gespuckt und haben hier auf der Baustelle gestanden, als andere zum Baden fahren gefahren sind." So bauen viele, verzichten jahrelang auf Urlaub. Die Arbeit und Zeit, die die Kruses damals investiert haben, haben sich für sie aber gelohnt: In ihrem eigenhändig gebauten Zuhause fühlen sie sich immer noch wohl - auch noch nach 45 Jahren.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Husum: Groß durch Ochsenfleisch
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 12.05.2018 06:00 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... age-1.html

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Werner Junge

Aufschwung!

Schon seit dem Mittelalter war Husum ein wichtiger Platz für den Viehhandel über das System des Ochsenweges. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bekam alles eine neue Dimension. England stieg zur ersten Industriemacht auf. Das neue Heer der Arbeiter musste ernährt werden. Englische Banker und Reedereien importierten nun vor allem über Tönning Rinder und Schafe zu Tausenden. Gehandelt wurde vor allem in Husum.

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Die Hohle Gasse - vom Hafen wird Vieh zum Markt hoch in die Neustadt getrieben, ein vertrauter Anblick bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute schlendern Touristen durch die Hohle Gasse. Sie verbindet den Binnenhafen und die Großstraße, die Husumer Einkaufsmeile.

Husum und Tönning waren seit 1854 durch die König-Friedrich-VII.-Südschleswigsche-Eisenbahn mit Flensburg verbunden. Die Aktie hieß nicht "König-" oder dänisch "Kong-Frederik-", sondern "King-Frederik VII-", denn sie wurde an der Börse in London gehandelt. Auch an den Krediten für Jungvieh - den sogenannten "Gräserkrediten" - verdienten in den ersten Jahrzehnten englische Banker.

Marschbahn liefert Vieh aus Husum
Erst 1871 wurde eine Tönninger Dampfschifffahrtsgesellschaft gegründet, vier Jahre später die erste Bank. Nun wurde hier auch am Geld und Transport verdient. 1888/89 brach im Deutschen Reich die Maul- und Klauenseuche aus. England verbot den Import von deutschem Vieh. Doch der Viehmarkt in Husum brach nicht zusammen. 1887 hatte die Marschbahn Husum erreicht. Nun versorgte der Husumer Viehmarkt die Menschen in den aufstrebenden deutschen Industriegebieten. Erst in den 1920er-Jahren kam mit der Agrarkrise der große Einbruch für den Husumer Viehmarkt.


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Rinder, Rinder, Rinder - noch in den 1950er-Jahren waren alle Boxen auf dem Viehmarkt im Schatten des Wasserturms in Husum besetzt. Heute erinnert kaum noch etwas an die große Zeit des Viehhandels.

Schafbockauktion erinnert an Viehhandel
Die Zeit des Viehhandels dauerte auf dann stark reduziertem Niveau bis Ende der 1960er-Jahre. Heute gibt es nur noch jährlich die Schafbockauktion. Doch die ist nicht mehr am alten Platz im Schatten des Wasserturms. Dort steht seit 1970 das Kreishaus des damals neuen Kreises Nordfriesland. Auch die lange Jahre prägende ehemalige Flugzeughalle ist verschwunden, dort steht inzwischen ein Block für altersgerechtes Wohnen. Damit ist es auch vorbei mit dem aufregenden Leben in der Husumer Neustadt. Der Markt war flankiert von Gaststätten. Die hatten alle auch Ställe im Hof und waren - modern ausgedrückt - "Homeoffice" des Viehhandels.

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Die Großstraße mit Blick auf das Rathaus und die 1833 nach Plänen des dänischen Staatsbaumeister C.F. Hansen vollendete zweite Husumer Marienkirche. Stark verändert haben sich die Hauszeilen zu beiden Seiten der Großen Straße. Zur Zeit entsteht in Nachfolge zum ehemaligen Karstadtbau ein neues Geschäftezentrum. Die Blickachse ist aber nach wie vor typisch Husum.

Dreimal einschlagen: Kuh verkauft
Ulf von Hielmcrone, Präsident der Nissen-Stiftung, erzählt von den Regeln. Bezahlt wurde bar, besiegelt wurde ein Kauf durch dreimaliges Einschlagen. Kam es zum Streit über einen Handel, fragte der Amtsrichter als erstes:
"Ist dreimal eingeschlagen worden?" Wurde das bejaht, war über diesen Deal nicht mehr zu verhandeln.
Die Händler waren an ihren weißen Kitteln zu erkennen - dazu kam oft ein steifer Hut. Die prallgefüllten Lederbeutel, sogenannte Geldkatzen, wurden in den Kneipen einfach an den Stuhl oder den Garderobenhaken gehängt. Jeder wusste: Hier kam nichts weg. In den Gaststuben durchmischte sich der Tabakqualm und der leichte Geruch nach Kuh mit dem typischen Duft von Kümmel. Neben Husumer Bier wurde Teepunsch getrunken - und das in beachtlichen Mengen. Am Ende sei nicht mehr nach Tassen sondern Quadratmetern abgerechnet worden, so geht die Mär.
Seit den 1920er-Jahren schrumpfte der Viehmarkt.
40 Jahre später kam das Aus. Die Abnehmer fuhren nun zu den Landwirten und die Tiere direkt per Lkw in die Schlachthäuser.

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Ein pferdebespannter Rollwagen und ein Rungenwagen der Eisenbahn stehen vor dem Mühlenbetrieb Leonhard Jacobsen. Heute ist in dem Gebäude das Kulturzentrum "Speicher" untergebracht und bringt große Kleinkunst in die nordfriesische Kreisstadt.

Erbe einer großen Zeit

An die große Zeit des Viehmarktes erinnert heute noch der "Treibweg". Über ihn gelangte das Vieh vom Marschbahnhof im Norden zum Viehmarkt. Davor gab es im heutigen Ortsteil Rödemis seit 1854 den "Englischen Bahnhof". Heute kennen wir vor allem den 1910 gebauten Hauptbahnhof.

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Die "Rote Pforte" 1949. Damals einfach eine Straße zum Markt. Heute ist dieselbe Straße eng bebaut, es gibt viele Parkplätze und kleine Geschäfte mitten in Husum.

Der Marktplatz in Husum mit Marienkirche und Tinebrunnen am Abend. © imago Foto: Arnulf Hettrich
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Auf dem Marktplatz stehen die Marienkirche und der Tinebrunnen. Er zeigt eine Fischersfrau.

Marienkirche & Tinebrunnen.JPG
Marienkirche & Tinebrunnen.JPG (14.66 KiB) 4191 mal betrachtet
Dass Vieh auch vom Hafen durch die "Hohle Gasse" und die "Neustadt" getrieben wurde, wissen wir durch historische Fotografien. Weil der Viehhandel so bedeutend war, speien auch vier Ochsenköpfe des Tinebrunnens Wasser in das große Becken unter der stolzen Fischersfrau. Seit 1902 steht der von Adolf Brütt geschaffene Brunnen auf dem Marktplatz.

Darum heißt es "Schloss VOR Husum"
Symbol des Viehmarktes und auch der neuen Zeit ist der Wasserturm. Vom Markt aus gesehen steht er in der Nordwestecke des Parks des "Schlosses vor Husum" in der Neustadt, heute berühmt für seine Millionen lila Krokusse im Frühling. Neustadt, weil auch Husum erst in der Gründerzeit über seinen historischen Kern rund um Markt und Hafen hinaus gewachsen ist. Deshalb heißt es übrigens auch Schloss VOR Husum. Denn die 1577-1583 von Herzog Adolf als Witwensitz gebaute Dreiflügelanlage lag seinerzeit auf dem freien Feld vor Husum.

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Einst als herzoglicher Witwensitz gebaut, war das Schloss vor Husum von 1867 an ein reiner Verwaltungsbau und ohne Turmspitze. Bis 1970 saß dort das Landratsamt. Als der Kreis Husum im Kreis Nordfriesland aufging und auf der Fläche des Viehmarktes das neue Kreishaus gebaut wurde, konnte das Schloss wieder Schloss sein. Nach sieben Jahren war 1980 wieder der alte Zustand eines herzoglichen Schlosses erreicht.

Ein bedeutender, aber rebellischer Ort
Schon im Mittelalter war Husum nach damaligen Maßstäben ein bedeutender Ort. Nach dem Untergang Rungholts bei der "Ersten großen Mandränke" 1362 begann der Aufstieg. Es war der Westhafen für Flensburg und wurde reich durch den Export der Agrarüberschüsse der Marschen. Im 16. Jahrhundert hatte der "Flecken" Husum zwischen 5.000 und 6.000 Einwohner. Es war damit nach Flensburg der zweitgrößte Ort in den Herzogtümern. Doch die Stadtrechte bekam Husum erst 1603. Also in einer Zeit, in der die Wirtschaft schon wieder schwächelte. Der Zusammenbruch kam 1634 mit der "Zweiten Mandränke". Husum verlor damit vor allem die Insel Strand als Kornkammer und so auch die Basis des Wohlstandes.[/color]

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Ein Kutter auf den Hellingen der alten Werft im Binnenhafen. Der Blick geht auf einen weitgehend noch wirtschaftlich genutzten Binnenhafen mit Eisenbahnanschluss, Lagerhäusern und Entladebetrieb. Ein Kutter steht immer noch auf den Hellingen, doch der Binnenhafen ist inzwischen zur Flaniermeile geworden und trägt wesentlich mit zur Attraktivität Husums bei.

Revolte wird blutig und teuer für Husum
Eine aktuelle Aufnahme von "Rebellenköpfen" an einem Gebäude in Husum. © NDR Foto: Werner Junge

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Sogenannte "Rebellenköpfe" zieren die Front der beiden nebeneinander liegenden Gebäude. Die Sandsteinfiguren stellen der Sage nach die angeblich 1472 auf dem Klingenberg hingerichteten Husumer Rebellen dar.
Ein wesentlicher Grund, warum Husum so spät eine Stadt wurde, war das Jahr 1472. Die Husumer beteiligten sich an einer Revolte gegen den dänischen König Christian I. Die Folgen waren verheerend und nachhaltig. 70 Rebellen wurden geköpft, Husum wurde eine "Rebellensteuer" auferlegt, die 406 Jahre gezahlt werden musste und von der die Husumer erst 1878 erlöst wurden - von den Preußen. Die Sandsteinköpfe an der Fassade des Hauses am Markt 3 gelten in Husum als die "Rebellenköpfe" - ob sie es wirklich sind, gilt heute als unsicher. Erneut in Ungnade fielen die Husumer, weil sie sich von 1848-1851 an der Erhebung gegen Dänemark beteiligten.

Wandel mit Augenmaß
Mit über 20.000 Einwohnern ist Husum heute eine pulsierende Kreisstadt mit regem Handel - und sehr beliebt bei Touristen. Vor allem die Altstadt und die Lage am Hafen tragen wesentlich dazu bei. Zudem hat es Husum trotz erheblicher Neubautätigkeit geschafft, seinen Charakter zu bewahren und alte Substanz sowie Strukturen zu erhalten. Umstritten ist dabei die Befreiung des alten Rathauses vom Zuckerbäckerstil der Kaiserzeit. Zwar ist der Zustand von 1809 wieder erreicht, die Ziegel mit maschinellem Handstrich passen jedoch nicht jedem.


BILD "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Stadtjubiläum 1953. Der preußische Adler auf dem Giebel des Rathauses verrät: Diese Haus wurde im neuen Geist des Kaiserreichs noch mal richtig "aufgehübscht". Auch wenn nicht alle zufrieden waren, ist das Rathaus nun in seine alte äußere Gestalt zurückgebaut. Auf beiden Bildern ist die Tine nicht zu sehen. Sie steht aber - sowohl 1953 als auch heute - rechts vom Ausschnitt.

Neu im wirklich alten Glanz erstrahlt dagegen das Schloss. Von 1864-1970 ganz profan als Kreisverwaltung genutzt, erstand das Schloss mit Turm erst wieder nach der Kreisreform. Als in den 1970er Jahren die Werft mitten in der Stadt aufgegeben und in den Außenhafen verlegt wurde, war an der Hafenspitze des Innenhafens ein Filetstück frei. Dort entstand bis 1989 das neue Rathaus. Vom Wasser blieben die Hellinge der Werft erhalten, also die Schräge, auf der die Schiffe zu Wasser gelassen wurden. Sie und auch die Architektur des Rathauses erinnern an die alten Werfthallen. Das neue Rathaus gilt als Vorbild für eine behutsame und ortsgerechte neue Nutzung.


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Die Werft mitten in der Stadt prägte den Binnenhafen. Als die Werft in den Außenhafen zog, war es Zeit über eine neue Nutzung für ein Filetstück in der Innenstadt nachzudenken. Seit 1989 steht an selber Stelle das neue Rathaus Husums. Die Hellinge und die Form des Neubaus erinnern an die Werft. Eine vielgelobte und beachtete architektonische Lösung.
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele:
Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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frische Luft
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Itzehoes Störschleife lässt die Bürger nicht los
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 19.05.2018 11:48 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... oe296.html

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von exakt derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. NDR Autoren tauchen in die Stadtarchive ein. Dabei fördern sie persönliche Geschichten und historische Aufnahmen zu Tage, die teilweise in großem Kontrast zur Gegenwart stehen. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

BILD und TEXT-KOPIE:

Eine Joggerin läuft am grünen Ufer entlang, auf dem Wasser legt sich ein Ruderer in die Riemen:
Die Stör ist heute vor allem ein Sport- und Naherholungsgebiet für die Itzehoer.
Früher brachte der Nebenfluss der Elbe den Menschen neben dem Handel auch Überschwemmungen und Ratten.
Geprägt hat die Stör die Stadt jedenfalls schon immer.
Die Itzehoer identifizieren sich mit ihrem Fluss - und streiten um ihn.


Nichts sieht hier mehr wie früher aus.
Dort, wo 1961 noch die Störschleife durch die Neustadt fließt, vorbei am Hauptzollamt, ist heute nur noch Gras.
Im Hintergrund sieht man das Theater von Itzehoe.
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Neustadt ist die alte Stadt
Ingo Lafrentz steht vor einer Steintafel, die an die Billunger Burg erinnert. © NDR Foto: Anne Passow
Bild befindet sich im o.g. Link !

Ingo Lafrentz kam 1968 nach Itzehoe und arbeitete als Lehrer. Heute macht der 77-Jährige unter anderem Stadtführungen.
Ingo Lafrentz erlebt das seit 50 Jahren mit. Ende der 60er-Jahre zieht er als junger Lehrer nach Itzehoe. "Damals war das hier alles Sanierungsgebiet", erinnert sich der 77-Jährige. Der pensionierte Geschichtslehrer, der heute unter anderem als Stadtführer tätig ist, steht in der Wallstraße und erzählt von Hochwasser, fehlender Kanalisation, stinkendem Gewässer und nassen Gebäuden, mit denen sich die meist ärmere Bevölkerung der sogenannten Neustadt damals herumschlagen muss. Die Neustadt, das ist interessanterweise der alte Teil von Itzehoe, nämlich der, der innerhalb der Störschleife lag.

Störschleife führt um Ringwallburg
Die Schleife legen Bewohner der Region vor mehr als 1000 Jahren an. Mit einem Durchstich holen sie damals den Fluss ins Land. Die Störschleife bietet auf einer Fläche von etwa zehn Hektar Schutz vor Angreifern. Um das Jahr 1000 nach Christus entsteht hier eine Ringwallburg, die Billunger Burg. Die gibt es heute nicht mehr. Vergessen ist sie nicht. Ingo Lafrentz führt eine kleine Treppe hinauf - auf eine gepflasterte Straße namens Burg. "Das ist die älteste Stelle Itzehoes", sagt er - fast andächtig.

Auf dem Foto von 1970 sieht man links noch das Gebäude der Zuckerfabrik.
Heute ist dieser Bereich der Wallstraße von Backsteinbauten geprägt.

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Eine Steintafel erinnert an das alte Bollwerk. Das - und vor allem die schützende Störschleife - beeindruckt einst auch Adolf IV. von Schaumburg, Graf von Holstein und Stormarn. So sehr, dass er Itzehoe 1238 mit dem Lübschen Stadtrecht ausstattet. Kurz darauf bekommt Itzehoe auch das Stapelrecht. "Alle flussaufwärts fahrenden Schiffe mussten ihre Waren hier ausladen, stapeln und zum Verkauf anbieten. Und, obwohl sie es eigentlich nicht durften, hielten die Itzehoer auch die flussabwärts fahrenden Schiffe an", schmunzelt Lafrentz. Itzehoe floriert.

In den 1930er-Jahren machten Schiffe am Ladeplatz Bekstraße fest.
Heute ist hier ein Wasserlauf mit Weg angelegt.

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Im Kreuzgang steckt noch Mittelalter
Doch 1657 wird all das zerstört. "In der Nacht vom 7. auf den 8. August verbrannte ganz Itzehoe", berichtet Lafrentz. Es herrscht Krieg zwischen Dänemark, zu dem Itzehoe gehört, und Schweden. "Mit glühenden Kugeln schoss Karl X. Gustav, König von Schweden, Itzehoe damals in Brand", so Lafrentz. Zuvor hatte Itzehoe sich geweigert, den schwedischen Herrscher einzulassen. Nur der Kreuzgang aus dem Jahre 1430 der St. Laurentii-Kirche übersteht das Inferno.

Der Kreuzgang der St. Laurentii-Kirche übersteht den Brand Itzehoes 1657 - als einziges Bauwerk der Stadt.
Er stammt aus dem Jahre 1430.
Heute gehört er zum Klostergelände.

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Ingo Lafrentz führt durch die Kirche zu diesem ältesten noch erhaltenen Bauwerk Itzehoes. Er steht unter der gewölbten Decke des Ganges und weist auf die Wand. "Hier kann man Gedenktafeln der Äbtissinnen erkennen - und hier Familienwappen." Teilweise sind die Bilder und Inschriften in dem Sandstein aber nur zu erahnen. Lafrentz ist trotzdem tief beeindruckt, auch wenn er diesen Ort schon in- und auswendig kennt. "Wenn man sich mal einen Moment vorstellt, wie es mal ausgesehen haben könnte: Es muss wunderschön gewesen sein," sagt er.

Auch der Blick von der Kirchenstraße auf die St. Laurentii-Kirche hat sich von 1950 zu heute verändert.
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Störschleife wird zugeschüttet
Blick aus der Vogelperspektive auf die Störschleife von Itzehoe im Jahre 1950.
1950 fließt die Störschleife noch um die Neustadt, wie dieses Foto aus dem Archiv von Carsten Brecht zeigt.

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Mit viel zu wenig Geld bauen die Itzehoer ihre Stadt nach dem Brand wieder auf. Was dazu führt, dass die Bausubstanz nicht die Beste ist - und ein Grund dafür ist, dass es in der Neustadt bröckelt und schimmelt, als Ingo Lafrentz 1968 nach Itzehoe zieht. "Außerdem war ein Arm der Störschleife versandet. Es gab hier eine Rattenplage", erinnert er sich. Wegen der Kreide- und Tonvorkommen in der Region haben sich mit der Industriealisierung mehrere Zementfabriken in und um Itzehoe angesiedelt. "Der ganze Schwerlastverkehr für die Fabriken wühlte sich hier durch die Neustadt", erzählt Ingo Lafrentz. Das Ende vom Lied: Die Stadtväter greifen durch, lassen zwischen 1974 und 1975 die Störschleife zuschütten und sanieren die Neustadt.

Beginn von Parlamentarismus

Einfache Backsteinhäuser prägen heute dort das Bild. Die Straßen folgen zum Teil noch der ehemaligen Störschleife, zeichnen den einstigen Verlauf im Asphalt nach. Sie erinnern an die mittelalterliche Struktur der Stadt. Und ihre Namen erzählen Geschichte. Die Wallstraße hat ihren Namen von der alten Ringwallburg, in der Reichenstraße lebten wohlhabende Kaufleute, in der Fischerstraße die armen Fischer.

1964 sieht der Itzehoer beim Blick über die Stör noch die Zementfabrik.
Heute haben sich dort verschiedene Fachmärkte niedergelassen.

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Lafrentz läuft von der Salz- zur Wallstraße am neuen Theater vorbei, das genau an der Stelle seinen Platz hat, wo einst die Ringwallburg und später die Zuckerfabrik der Stadt standen. Im Mittelpunkt des Hufeisens: Der Markt mit seinem historischen Rathaus von 1695. Darinnen befindet sich auch der Ständesaal, in dem ab 1835 die Holsteinische Ständeversammlung tagt. "Das war ein klitzekleiner Beginn von Parlamentarismus", sagt Lafrentz.

1969 durften die Autos noch direkt vor dem historischen Rathaus parken.
Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Zwischen dem neuen Theater und der Salzstraße fallen längliche Wasserteiche auf. "Die wurden nach 1975 angelegt, um den Itzehoern den Phantomschmerz zu nehmen", erinnert sich Lafrentz. Denn viele Itzehoer trauern ihrer Störschleife noch immer hinterher. Und einigen von ihnen reichen die Teiche nicht. Der Verein "Störauf" kämpft seit 2011 dafür, wieder einen Wasserlauf innerhalb der ehemaligen Störschleife und um das Theater herum anzulegen. "Der Gedanke ist, dass Itzehoe damit attraktiver wird, auch für die Wirtschaft", fasst Lafrentz zusammen.

Viele gehen, wer bleibt?
Denn der Strukturwandel macht auch vor Itzehoe nicht halt. Die Breite Straße, laut Ingo Lafrentz einst der Broadway der Stadt, ist an vielen Stellen von leeren Schaufenstern geprägt. Waren kommen längst nicht mehr per Schiff über die Stör, die einst wichtige Zuckerfabrik hat ihre Tore geschlossen, die Zementindustrie produziert nur noch im benachbarten Lägerdorf. Jüngst hat auch die Druckerei Prinovis der Stadt den Rücken gekehrt. Und die einzige Diskothek am Ort, der Cheyenne Club, hat gerade dichtgemacht.

1969 fahren noch Autos durch die Breite Straße. Später entsteht eine Fußgängerzone. Inzwischen dürfen hier wieder Kfz durchfahren.

Scheitelpunkt überschritten
Ob ein Wasserlauf an der alten Störschleife der Stadt zu altem Glanz verhelfen kann? Ingo Lafrentz ist skeptisch. Er verweist auf die Firmen, die noch am Ort sind: Das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie ISIT und das Innovations- und Technologiezentrum IZET haben ihre Standorte in der Stadt. Das Theater ist auch in der Umgebung bekannt. Und Itzehoe hat ein Schwimmbad, was auch nicht jede Kleinstadt von sich sagen kann. Ingo Lafrentz glaubt, dass der Strukturwandel gestoppt ist. "Ich glaube, wir haben den Scheitelpunkt überschritten." Er schätzt Itzehoe. "Ich bin hier hängen geblieben und habe diese Stadt lieben gelernt", sagt er und erzählt von seiner Frau, seinen beiden Kindern, Freunden und seinen zig ehrenamtlichen Engagements, die ihn mit der Stadt verbinden. "Inzwischen bin ich Eingeborener geworden."
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Wilhelm Busch, *15.04.1832, gest. 09.01.1908.
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Die "Holtenauer" in Kiel: Wie sich eine Straße verändert
Ein NDR-Beitrag-Geschichte, Stand: 10.08.2019 06:00 Uhr
Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... l5918.html

holtenauer120_v-vierspaltig.jpg
holtenauer120_v-vierspaltig.jpg (111.48 KiB) 3635 mal betrachtet
Bild und Text-KOPIE !

Bilder von früher im Vergleich mit Fotos von heute - möglichst aufgenommen von derselben Position: Das ist das zentrale Element der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute". So wollen wir den Wandel der Städte im nördlichsten Bundesland dokumentieren. Ein interaktiver Foto-Vergleich macht das besonders deutlich.

von Sebastian Parzanny

Flaniermeile, Einkaufsboulevard und "Bummelkiez" - die Holtenauer Straße ist eine der bekanntesten Straßen Kiels.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gingen die Kieler hier einkaufen, sie trafen sich zum Essen und Bier trinken.
Dann wurden viele Häuser zerstört.
Seit der Nachkriegszeit hat eine Kieler Familie eine besondere Beziehung zu "ihrer Holtenauer".
"Ich erinnere mich, dass ich dort irgendwo als Kind bei einem Richtfest dabei war.
Das war nach dem Krieg beim Wiederaufbau.
Damals wurden Richtfeste noch richtig groß mit Marschmusik gefeiert", sagt Thomas Kersig.
Er steht auf dem überdachten Teil der Holtenauer Straße, den sogenannten "Arkaden".


In den 1930er-Jahren wurde in der Holtenauer Straße 74 in einer Kneipe (rechts im Bild) noch Bier getrunken, heute werden hier Turnschuhe verkauft. Im Hintergrund zu sehen: die Kieler Straßenbahn, ihr Betrieb wurde 1985 eingestellt. Durch die Holtenauer Straße fuhrt zum Beispiel die Linie 4, die hier direkt am "Wikinger" vorbeirauscht.

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Viele Häuser und Läden in Familienbesitz

Der 76-Jährige zeigt auf Wohnhäuser, die einige Hundert Meter entfernt zu erkennen sind. Auf den breiten Gehwegen links und rechts der Straße sind viele Passanten unterwegs, vor den Cafés sitzen Menschen in der Sonne, es herrscht reges Treiben auf der "Holtenauer". Viele der Läden und Wohnungen gehören dem Familienunternehmen Kersig oder werden von der Firma verwaltet. Den Großteil der Geschäfte hat Thomas Kersig an seinen Sohn Phillip und seinen Neffen Jan Christoph Kersig abgeben. Doch die beiden vermieten nicht nur: Sie haben einen Verein gegründet, in dem sich die Geschäftsleute zusammentun, um unter anderem lange Einkaufsabende zu veranstalten.

Einkaufsstraße seit dem vorletzten Jahrhundert
Alte Schwarz-Weiß-Bilder und Dokumente aus dem Kieler Stadtarchiv zeigen: Schon vor dem Krieg gab es zahlreiche Geschäfte und Gewerbebetriebe. Kurz nach 1900 wurde ein erstes Kino eröffnet, damals eine Sensation. Neun Jahre später folgte das Kaufhaus Kröhnke und Lau in der Holtenauer Straße 140. Dort ist es noch heute. Besonders die bessere Gesellschaft der Stadt, zum Beispiel Offiziere, Beamte und Professoren der nahe gelegenen Universität, flanierten hier gern. Genau wie heute galt damals bei vielen das Motto das Motto "sehen und gesehen werden".

1952 war der Wiederaufbau der Holtenauer Straße schon teilweise abgeschlossen.
Dort, wo heute die Arkaden sind, gab es schon in der Nachkriegszeit wieder Geschäfte.
Damals wie heute sind die Wohnblocks dahinter ein beliebtes Wohnquartier.

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Zerstörte Straße als Chance gesehen
Dann begann der Zweite Weltkrieg und die Holtenauer Straße wurde schwer getroffen. "Insbesondere im Bereich der unteren Straße blieb kein Stein auf dem anderen", sagt Johannes Rosenplänter vom Kieler Stadtarchiv. Wie viele der Häuser genau in der Straße zerstört wurden, kann der Historiker nicht sagen. Im gesamten Stadtteil waren es zwischen 50 und 80 Prozent. "Mein Großvater hat in der Zerstörung eine Chance gesehen", sagt Jan Christoph Kersig "denn es war ja Platz und man konnte neu denken“.

Das Ziel von Hans Kersig war eine Straße zum Bummeln mit neuen Häusern und breiten Bürgersteigen auf denen sich die Menschen wohlfühlen konnten. "Die Gehwege hat er übrigens privat gezahlt", schmunzelt Jan Christoph Kersig.

Auch 1977 fuhr die Straßenbahnlinie 4 noch durchs Bild.
Die nach dem Krieg entstanden Wohn- und Geschäftsblöcke (hinten links im Bild) wurden damals von den Kielern leicht verächtlich als "Klagemauer" bezeichnet.
Heute florieren hier die Geschäfte - unter anderem, weil das der Teil der Straße ist, in dem Passanten überdacht shoppen können.

Bild "FRÜHER und HEUTE" befindet sich im o.g. Link !

Neue Pläne für die Holtenauer
Nach dem Krieg glaubten längst nicht alle Kieler an Hans Kersigs Vision. Als er anfing, hieß es immer, die Stadt Kiel werde sich nie wieder über die Altstadt hinaus entwickeln, so Jan Christoph Kersig. Die Kieler waren skeptisch, was die neuen Pläne für die Holtenauer angingen. "Er war sich aber sicher, dass die Stadt wieder wachsen wird." Trotzdem hatte sein Großvater harte Jahre. "Er liebte zwar 'seine' Straße, hatte viel in sie investiert, trotzdem war er unsicher. Das kostete ihn einige schlaflose Nächte", erzählt Jan Christoph Kersig weiter.

"Klagemauer" - so nannten viele Kieler die lang gezogenen Geschäftshäuser mit hinterer Wohnbebauung, als der Bereich der unteren Holtenauer schließlich fertig war. "Wie genau der Name entstanden ist, weiß ich nicht", sagt Jan Christoph Kersig. "Ich vermute die Kieler dachten, die Investoren gehen eh bald pleite und werden dann verklagt."

Den Eingang zur Holtenauer Straße bildete schon 1967 das "Merkurhaus" am Dreiecksplatz.
Damals war dort ein modernes Kaufhaus, heute teilen sich mehrere Geschäfte, Restaurants und Büros die große Fläche.

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Konkurrenz durch die Holstenstraße
Allem Spot vieler Bürger entgegen entwickelte sich die Holtenauer zunächst wieder gut. Viele Geschäfte, Kneipen und Betriebe siedelten sich an. Aber kurz vor Weihnachten 1953 bekam die "Meile" dann Konkurrenz: Die Holstenstraße in der Kieler Innenstadt wurde für den Verkehr gesperrt und zu einer der ersten Fußgängerzonen Deutschlands umgebaut. "Zunächst hatte die Holtenauer vom Wiederaufbau stark profitiert. Eine Konkurrenz zur Holstenstraße gab es dann aber in jedem Fall - auch, weil zwei große Kaufhäuser in der Innenstadt gebaut wurden", sagt Johannes Rosenplänter vom Kieler Stadtarchiv.

Wieder viel Kritik für eine Kersig-Idee
In den 80er-Jahren hatte Thomas Kersig dann eine zündende Idee. Angespornt durch eine überdachte Ladenzeile. die er in Toronto in Kanada gesehen hatte. Auch dort regnete es häufig, genau wie im Norden Deutschlands. "Da war mir schnell klar: So etwas brauchen wir auch in der Holtenauer", erinnert er sich. Erneut gab's viele Kritiker für eine Kersig-Idee - auch aus dem Rathaus. "Das ist Schwachsinn", war damals die erste Reaktion aus der Verwaltungsbehörde. "Aber wir geben nicht so schnell auf", sagt der 76-jährige mit einem Grinsen. Ausdauer war aber gefragt. Es dauerte schließlich mehrere Jahre, die Stadtväter zu überzeugen. Gebaut wurde die Überdachung dann aber in nur rund drei Monaten.

Viele Veranstaltungen in der "Holte"
Heute zweifelt kaum noch jemand an der Idee. Während in der Kieler Innenstadt vieles leer steht, ist die Nachfrage nach Ladenflächen unter den Arkaden und drumherum groß. Viele Kieler ziehen eine Runde über die "Holte" einem Innenstadtbummel vor. Das hat sicher auch mit den vielen Veranstaltungen zu tun: Die White-Night, der Kehraus-Markt oder lange Shopping-Abende. "Fast alle Kaufleute ziehen hier an einem Strang. Das funktioniert nur so gut, weil nahezu alle Geschäfte inhabergeführt sind", sagt Jan Christoph Kersig, der nun ein wenig nachdenklich wirkt. "Mein Opa hing damals schon sehr an seiner Holtenauer Straße. Er hatte auch immer sein Büro hier, wo wir heute noch unseres haben. Ich glaube, er wäre ganz schön stolz, wenn er sehen könnte, wie es hier heute ist."
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Re: Schleswig-Holstein früher und heute

Beitrag von frische Luft »

Wie die Krückau Elmshorn prägte - ein Gezeiten-Spaziergang
Ein NDR-Geschichten-Beitrag, Stand: 01.05.2021 10:00 Uhr

Quelle: https://www.ndr.de/geschichte/schauplae ... au106.html

BILD und TEXT-KOPIE:

Die Krückau ist nur 40 Kilometer lang und auf den ersten Blick keine Naturgewalt wie die Elbe.
Doch eine Stadt wie Elmshorn hat der Fluss geprägt.
Fotos der Serie "Schleswig-Holstein früher und heute" belegen den Wandel.


von Corinna Below

Die Künstlerin Ruth Alice Kosnick steht vor einem Pfahl, der die Pegelstände der historisch bedeutendsten Sturmfluten zeigt. © NDR Foto: Corinna Below
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Will Geschichte in Elmshorn sichtbar machen: die Künstlerin Ruth Alice Kosnick.
Die Krückau war für Elmshorn im Kreis Pinneberg lange Zeit die Wirtschaftsader. Der Fluss trat regelmäßig über die Ufer. Die Elmshorner*innen lebten mit den Gezeiten. Heute weiß das kaum noch jemand.

Als die Architektin und Künstlerin Ruth Alice Kosnick vor 27 Jahren nach Elmshorn zog, wunderte sie sich darüber, dass sich scheinbar kaum jemand für den Fluss und seine Geschichte interessierte. Sie wollte die Geschichte sichtbar machen.

1962 war die Innenstadt von Elmshorn extrem überschwemmt. Heute müssen die Geschäftsinhaber in der Holstenstraße dank des Sperrwerks keine Sandsäcke mehr vorhalten, um den Fluten zu begegnen.
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Historischer Stadtrundgang neu aufgelegt
Vor genau 20 Jahren konzipierte Kosnick eine Art Open-Air-Ausstellung über die Geschichte der Krückau. Mit dem Flyer in der Hand kann man seitdem einen historischen Stadtrundgang machen: ein Spaziergang voller Einblicke und Geschichten, eine tolle Alternative in Zeiten der mangelnden kulturellen Angebote. Auch deswegen hat die Stadt den Flyer zu den sogenannten Rückblicktafeln neu aufgelegt.

Auf der Krückau kam das Getreide in die Stadt
"Das ist der Mühlendamm." Ruth Alice Kosnick schaut sich um: Sie blickt zum See im Steindammpark. Keine Mühle weit und breit. "Es gab ganz viele Getreidemühlen hier, weil Elmshorn der drittgrößte Getreide-Umschlagplatz des Deutschen Reiches war." Die Stadt ist Heimat der Firm Kölln, die seit mehr als 200 Jahren in Elmshorn produziert und für ihre Haferflocken bekannt ist.

Überschwemmungen gab es im Elmshorner Hafen häufig, bis das Sperrwerk gebaut wurde. Heute liegen nur noch vereinzelt Schiffe im Hafen.
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Perspektive des Fotografen von damals
Direkt neben dem vierspurigen Mühlendamm steht die erste von neun Rückblicktafeln. Zu sehen: Fotos von der Krückau, vorne eins, hinten eins, vor etwa 100 Jahren genau hier fotografiert. "Der Aufbau der Tafeln ist so, dass die eine Seite die Perspektive des Fotografen von damals zeigt und genau so in den städtischen Raum gestellt wurde, dass man sieht: So sah das früher aus. Und auf der anderen Seite ist eine Erläuterung", erklärt Kosnick.

Auf dem einen Foto sind badende Kinder zu sehen. Heute führt hier die Straße über den Fluss. Auf dem anderen Foto: die Wassermühle Piening, angetrieben vom Stauwasser. Der Mühlendamm - das erkennt man sofort - war damals noch unbefestigt.

An der Oberau wurde die Wassermühle Piening früher durch Stauwasser angetrieben. Heute bestimmt der vierspurige Mühlendamm das Bild.
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Wochenlange Suche nach passenden Fotos
Ruth Alice Kosnick hat lange im Stadtarchiv nach passenden Fotos suchen müssen: "Die Tafeln sind dafür gedacht, dass die Leute wieder mit der Historie Elmshorns vertraut werden, auch Zugezogene. Elmshorn hat ja viele Zugezogene." Die Historie von Elmshorn sei nämlich sehr interessant, findet sie. Den neuen Flyer gibt es im Rathaus oder in der Touristeninformation - derzeit wegen der Pandemie allerdings nur auf telefonische Anfrage oder per Mail, dafür aber per Post direkt nach Hause.

Schiffbau gab es in Elmshorn schon im 18. Jahrhundert. Die letzten Werften schlossen in den 1970er-Jahren.
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Knutsch-Boote auf der Krückau für frisch Verliebte
Der Spaziergang führt einmal quer durch die Stadt und bietet neun unterschiedliche Standorte. Ruth Alice Kosnick: "Besonders bei der nächsten Tafel sehen wir noch etwas sehr Schönes. Es gab nämlich früher hier so einen kleinen Bootsanleger, wo die Leute mit dem Bötchen gefahren sind. Alt-Elmshorner erzählen, dass die hier in Elmshorn auch Knutsch-Buden genannt wurden, weil sich da immer Pärchen trafen." Durch den Vergleich von historischem Foto und der heutigen Umgebung an Ort und Stelle ist das wenigstens vorstellbar.

Das Ausflugslokal "Zur Alten Mühle": Hier machten die "Knutsch-Buden" fest. Heute ist das Lokal einem Mehrfamilienhaus gewichen.
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Die Sturmflut von 1962: Höchststand 5,08 Meter
Auf dem Weg vom Mühlendamm in Richtung Innenstadt bleibt Künstlerin Kosnick an einer Tafel zur Sturmflut von 1962 stehen: "Da war der Höchststand 5,08 Meter über Normal-Null. Man sieht hier die Königstraße, die Haupteinkaufsstraße. Und es ist wieder so, dass das Hauptbild mit Blick in die Königstraße aufgenommen wurde, sodass man sich das sehr gut vorstellen kann."

Auf der Tafel fahren die Autos durchs Wasser, die Fußgänger gehen knietief darin. Die ganze Innenstadt sei überflutet gewesen, sagt Kosnick.

Die Königstraße nach der Sturmflut 1962 und heute.
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Straßen haben den Fluss als Handelsroute abgelöst
Eine gute halbe Stunde dauert der Spaziergang und veranschaulicht einiges über die Bedeutung des Flusses. Eine Tafel zeigt den Blick in den Hafen und in Richtung Kölln-Werke. "Man sieht noch das Bild sehr schön, wie viele Schiffe hier lagen. Und dass auch direkt von den Schiffen aus gehandelt und abgewogen wurde", erzählt die Wahl-Elmshornerin.

Früher bestimmten vor allem Kornschuten das Hafenbild. Längst liefern Lastwagen das Korn für die Kölln-Werke an.
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Heute liegen hier gerade mal zwei Schiffe. Waren transportieren sie nicht. Die Straßen haben den Fluss als Handelsroute abgelöst. Aber durch den historischen Rundgang, die kleine Zeitreise von Ruth Alice Kosnick, wird die ehemalige Bedeutung der Krückau für die Stadt wieder sichtbar.

Seit dem Bau des Sperrwerks 1969 bleiben die Wiesen in Elmshorn trocken. Das historische Foto entstand nach der Sturmflut 1962.

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Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
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